Erdwärmeforschung in Groß Schönebeck
Nach dem Motto Wissenschaft trifft Bürger gab es am 22.08.2014 einen erlebnisreichen Nachmittag auf dem Forschungsgelände "in situ" Reservoir Groß Schönebeck dem Freilandlabor des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ).
Der Publikumszuspruch war mit ca. 200 Gästen überraschend gut, viermal so viele, wie geschätzt.
Die Reaktionen des Publikums waren durchweg positiv bis begeistert. Teilgenommen haben BürgerInnen aus allen Teilen der Gemeinde Schorfheide und auch Berliner.
Die Zusammensetzung war vom landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter bis zum Pfarrer, vom Bürgermeister bis zum Gemeindearbeiter sowie altersmäßig sehr gut gemischt. Der älteste Besucher war unser alter Deutschlehrer Hirsekorn aus Böhmerheide mit 85 Jahren.
Prof. Ernst Huenges, Schorfheide-Bürgermeister Uwe Schoknecht und der Groß Schönebecker Ortsvorsteher Achim Buhrs zogen eine positive Bilanz der ersten Veranstaltung dieser Art. Achim Buhrs: „Es sind viermal mehr Besucher gekommen, als wir erwartet haben“. Erstmals könnten, so die Veranstalter, die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Schorfheide hautnah erleben, was hier vor ihrer Haustür entstehen würde und im direkten Dialog mit den hier arbeitenden Wissenschaftlern einen Blick hinter die Kulissen und in die Zukunft tun.
Vortrag von Prof. Huenges in der überfüllten Pumpenhalle beim Tag der Offenen Tür auf dem Sarnow. Zur Beruhigung der umliegenden Bewohner gab es die Erkenntnis, dass die Forschungen und Bohrungen keine Erdbeben auslösen können.
Die Erwartungen vieler der rund 200 Besucher des Tages der Offenen Tür auf dem Sarnow, dass nun bald eine Thermalschwimmbad oder eine umweltfreundliche Beheizung und Stromversorgung ihrer Wohnungen vom Sarnow aus ermöglicht werden könnte, mussten die Wissenschaftler, die mit unendlicher Geduld und überaus anschaulich an verschiedenen Ständen und bei den Führungen über das Gelände ihre Arbeit vorstellten, leider enttäuschen. Das liegt zum einen daran, dass es sich um eine Forschungsanlage handelt, die allein schon von ihren Dimensionen nicht für solche praktischen Anwendungen geeignet sind, zum anderen daran, dass die Anlage nun inmitten des Biosphärereservats Schorfheide steht und damit ein Wärmekaftwerk oder ein Thermalbad vor sehr schwierigen Genehmigungshürden stehen würde. Daher muss die immerhin noch 90 Grad heiße Abwärme, die beidem derzeitigen Versuchsprozess entsteht, durch zwei Kühltürme abgeleitet werden und kann noch nicht in eine Nutzung überführt werden.
Prof. Huenges machte allerdings in seinem Einleitungsvortrag auf die großen Potentiale der Nutzung der Erdwärme sowohl im erdnahen wie im Tiefenbereich aufmerksam, konnten doch schon im Jahr 2013 mit allen installierten Anlagen der jährliche Wärmebedarf von 580.000 Zweipersonenhaushalten und zusätzlich der Strombedarf von 8.300 dieser Haushalte gedeckt werden. Da sei aber noch eine Menge Luft nach oben. Insbesondere in Bayern hätte man sehr viele neue Erdwärmeanlagen installiert. Derzeit werde z.B. in einem neuen Projekt 509 Wohnungen in Celle und Rotenburg mit einer Gesamtfläche von 30.600 qm künftig CO2-frei beheizt.
Mit der fortschreitenden Forschung sowie der größeren Verbreitung würden ähnlich wie bei der Photovoltaik und der Windenergie die Preise für die erforderlichen Anlagen fallen und die Erdwärme eine immer attraktivere Ergänzung für die Wärme- und Stromerzeugung in Deutschland werden, so Prof. Huenges. Nach einer neuen Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR, Stuttgart im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium, das auch die Forschung auf dem Sarnow weitgehend finanziert, wird in einem Szenario bis 2050 für die Tiefengeothermie einen Anteil von 8 % am Endenergieverbrauch erwartet. Gemeinsam mit der oberflächennahen Geothermie sollen danach etwa 13 Prozent erreicht werden. Anders als bei Photovoltaik oder Windkraft hat die Erdwärme den großen Vorteil der Grundlastfähigkeit, also der Unabhängigkeit von Licht und Wind, und kann daher zuverlässig und konstant Wärme liefern.
Dazu sollen nicht zuletzt die Erkenntnisse aus dem Labor auf dem Sarnow dienen. Erstmals auf der Veranstaltung des Bürgervereins und des Geoforschungszentrums Potsdam kündigte Prof. Huenges an, dass ein dritte Bohrung zur Erforschung neuer Bohrtechniken im Kostenvolumen von ca. 10 Mio. € beantragt werde.
Eines von zwei Bohrlöchern. Die Wassersäule steht etwa 250m unter der Oberfläche in dem Bohrloch. In etwa 4 km Tiefe ist 150 Grad heißes Wasser, vermischt mit 30% Gas (hauptsächlich Stickstoff und etwas Methan).
Das geförderte heiße Wasser ist hochgradig salzhaltig (ca. 280 g/l) und enthält auch andere Beimengungen, wie z.B. Lithium und Kupfer und muss daher vor dem Einspeisen in eine stromerzeugende Turbine zuerst in drei Durchläufen durch einen Titanspeicher mit verschiedenen Grob- und Feinspeichern gereinigt werden. Andernfalls würden Leitungen und Geräte durch die aggressive Mischung zerstört werden. So ist denn auch die Forschungsarbeit nicht allein auf die geologischen und hydrologischen Aspekte beschränkt, sondern wird durch Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen begleitet, die die Förder- und Verarbeitungstechniken erforschen und entwickeln, die zu einer wirtschaftlichen Nutzung der Erdwärme erforderlich sind. Fragen wie die erforderlichen Geräte und deren Materialien qualifiziert werden können sind daher ebenso wichtige Forschungsgegenstände wie die Untersuchung der Gesteinsschichten, Erdspeicher und geologisch besonders interessanten Bodenformationen, die für Erdwärmegewinnung Voraussetzung sind.
Nachdem hier 1990 die erste Bohrung (nach Erdgas) niedergebracht wurde, knüpfte man hier an die zu DDR-Zeiten weit fortgeschrittene Erdwärmeforschung an und öffnete im Jahr 2000 das verschlossene Bohrloch wieder für eine Injektionsbohrung mit 4.400 m und brachte im Oktober 2003 im Abstand von 22 m eine zweite auf 4.309 m nieder, die allerdings in der Tiefe um 450 m nach Westen abgelenkt wurde, um einen Abstand zur Injektionsbohrung zu schaffen, damit sich das Wasser dazwischen wieder auf 150 Grad erwärmen kann. Ein Langzeitexperiment soll zeigen, ob sich das durch die Bohrungen erzeugte Risssystem zum dauerhaften Transport und Wärmeaustausch des im Untergrund vorhandenen Wassers eignet, da nur langfristig gesicherte Produktionsraten eine nachhaltige Nutzung des Heißwasserreservoirs erlauben und die Investition in die Stromerzeugung wirtschaftlich interessant machen.
Weitere Informationen zu dem 2011 im Rahmen von „Deutschland - Land der Ideen“ ausgezeichneten Projekts finden sich unter: www.gfz-potsdam.de.
Text: Rainer Klemke und Joerg Mitzlaff