175 Jahre Klandorf – Geschichte eines Dorfes (1811 – 1986)
Die vorliegende Broschüre widerspiegelt in Ausschnitten
Entwicklungsetappen des Dorfes Klandorf und erhebt nicht
den Anspruch auf einen vollständigen geschichtlichen
Überblick. Grundlage für die vorliegende Chronik waren die
umfangreichen und sehr ausführlichen Studien von Herrn
Helmut Suter, dem wir sehr herzlich dafür danken, daß er uns
seine Arbeiten und die Fotos zur Verfügung stellte.
Die Gründung des Dorfes im „kleinen Eichhölzchen“
„In Folge eines verheerenden Brandes in Groß Schönebeck wurden aus Mangel
an Bauräumlichkeiten 16 Grundbesitzer (Kossäten) genötigt, ihre Gehöfte anderwärts
aufzubauen. Die Vertriebenen gründeten im Jahre 1809 den Ort Klandorf,
blieben aber in Kirchen- und Schulangelegenheiten Glieder der Groß
Schönebecker Gemeinde.“
Mit dieser Mitteilung beginnt die erste Seite der Klandorfer Schulchronik.
Lange brauchten die Klandorfer, ehe sie die Umsiedlung aus ihrem Heimatdorf
überwanden.
Wie kam es dazu?
Das Amt Liebenwalde schrieb am 7. September 1807 in einer „aller gehorsamsten
Anzeige:
Gestern früh zwischen 9 und 10 Uhr (6. September 1807 d. V.) brach in dem
Stall des Koßäthen Carl Gansekow zu Groß Schönebeck in dessen Abwesenheit
Feuer aus, welches gleich mit solcher Wuth um sich griff, daß in noch nicht einer
ganzen Stunde 12 Keßäthen Gehöfte, und außerdem das Nebenhaus des Koßäthen
Peter Weber ein Raub des Feuers wurden. Die Rettungsanstalten waren untadelhaft,
und die schnelle Herbeieilung der Nachbaren machten, daß der Wuth
des Feuers Einhalt geschah.
Die Entstehung des Feuers ist bis jetzt nicht auszumitteln gewesen, indessen
ist es unstreitig, daß Vernachlässigung dabei zum Grunde liegt.
Die Abgebrannten haben außer ihren Gebäuden ihre ganze Ernte an Winterund
Sommergetreide auch särnliches Heu und ihre ganze Habe verloren. Sie
sind daher in der erbarmungswürdigsten Lage, sie sind ohne Obdach für sich
und ihr Vieh, sie sind ohne ihr Brot-, Saat- und Futterkorn auch ihr Rauhfutter,
ja selbst so gar ohne notwendige Kleidung.“ Zunächst veranlaßte der Dorfschulze
die Unterbringung der Unglücklichen bei anderen Einwohnern. Das
Vieh wurde ebenfalls auf anderen Höfen untergebracht.
Mit dem Wiederaufbau gab es Schwierigkeiten. Die zwölf abgebrannten Höfe
standen alle auf der linken Seite der heutigen Ernst-Thälmann-Str. in Groß
Schönebeck, Richtung Prenzlau. Nach dem neuen Bauplan hätten nur acht Höfe
auf der alten Stelle gebaut werden dürfen, die restlichen vier sollten auf Ackerland,
das den Bauern gehörte, errichtet werden. Das stieß aber auf den Widerstand
der Bauern, die der Meinung waren, man müßte außerhalb des Dorfes
bauen. Die Kossäten lehnten dies mit der Begründung ab, daß auf ihrer Feldmark
am „Klan-Holz“ nur schlechte Wiesen seien. Nachdem die Kossäten der
Forderung der Bauern nachkamen, ihnen einen Ausgleich für das zum Wiederaufbau
ihrer Gehöfte benötigte Ackerland zu zahlen, stimmten die Bauern einem
W,iederaufbau im Dorf zu.
Aus den Akten geht nicht hervor, wie weit der Wiederaufbau gelangt war, als
am Abend des 6. September 1808 wieder Feuer ausbrach, ein Brand von noch
größerem Ausmaß als ein Jahr zuvor. In etwa drei Stunden brannten 21 Gehöfte
nieder. Die Ursache des Feuers konnte nicht ermittelt werden, jedoch wurde
vermutet, daß es durch Brandstiftung entstand. 279 Menschen waren durch die
Katastrophe obdachlos geworden und vier Menschen kamen dabei ums Leben.
Die Betroffenen hatten nicht nur ihr Heim und einen großen Teil des Viehs
verloren, sondern auch ihr ganzes Sommer-, Winter- und Heufutter.
In der offiziellen Anzeige wurde nicht mitgeteilt, daß weitere 25 Familien als
Büdner“ und Hausleute durch den Brand ihre bescheidene Habe verloren. Ihnen
half niemand, weder mit Brotgetreide, Bauholz oder Geld. Was aus ihnen
geworden ist, ob sie in einen anderen Ort zogen oder auf der abgebrannten
Stelle in der Mittelreihe des Dorfes wieder ihre „Hütten“ errichten durften, darüber
schweigen die Akten,
Das Amt Liebenwalde und die Groß Schönebecker Bauern sprachen sich nun
endgültig für den Aufbau der Kossätenhöfe außerhalb des Dorfes aus.
Für die Ansiedlung wurde ihnen ein 8 Hektar großer Platz im kleinen „Eichhölzchen“
am Klanfließ zugewiesen. Mit zwei langen Beschwerden versuchten
die sechzehn betroffenen Kossäten das ihnen aufgezwungene Schicksal doch
noch abzuwenden, aber ihre Umsiedlung war bereits beschlossene Sache.
Eine Militärabteilung, gerufen durch das Amt Liebenwalde, sollte sie von der
Richtigkeit der Ausquartierung „überzeugen“. Alle weiteren Bemühungen der
Kossäten blieben erfolglos, und so begannen sie noch im Herbst 1809 mit dem
Bau von kleinen Notschuppen auf dem .Klahn“. Wahrscheinlich waren die ersten
Bauten Scheunen und Stallungen.
Nach dem am Dorf vorbeifließenden Klahnfließ erhielt der Ort am 26. Juli
1811 den Namen Klahndorf (später: Klandorf). Dieses Datum gilt als eigentliches
Gründungsdatum des Ortes. In einem Schreiben vom Januar 1813, in dem
es um Holzlieferungen für Klandorf ging, wird erwähnt: ,,12 Kossäten jetzt zu
Klahndorf“ was bedeutet, daß nicht alle 16 in das neue Dorf gleichzeitig umsiedelten.
Erst nach 1825 ist mit einer noch heute zu erkennenden Systematik das
Dorfbild entstanden. Auf einer Karte aus dem Jahre 1840 ist eine einheitliche
Bebauung von schon jeweils 10 Gehöften entlang der Dorfstraße rechts und
links davon zu erkennen.
Die Anlage des neuen Dorfes wurde durch das Los unter die 16 Familien aufgeteilt
und so gewählt, daß jeder einen seinem Grundstückgegenüberliegenden
Garten an der Dorfstraße erhielt. Die weite Auseinanderlegung der Höfe sollte
eine erneute Brandkatastrophe, wie man sie erlebt hatte, verhindern. Jeweils versetzt
zum gegenüberliegenden Grundstück entstanden acht Höfe links und acht
rechts der Dorfstraße. Von den Seiten waren die Höfe mit dem Gartengrundstück
der Nachbarn umgrenzt. Die Kossäten hatten das gesamte Bauholz aus
dem Königlichen Forst kostenlos erhalten. Um Wiesen für ihr Vieh zu haben,
erhielten sie 1811 noch ,,183 Morgen und 6 Quadrat-Ruthen“ als Gnadengeschenk
aus dem Königlichen Forst. Die Ackerflächen der Kossäten auf dem
Hufschlag und die Klahnwiesen wurden gemeinschaftlich bearbeitet und genutzt,
sie waren von der Neuaufteilung durch das Los ausgenommen.
Von der Verpflichtung der Naturallasten und Forstverbesserungsdienste an
das Amt Liebenwalde wurden sie vom 1. Januar 1822 an „auf ewige Zeiten
frei“.
1827, nach 17 Jahren schwerer Arbeit, war auch die Zahlung des „Erbstandsgeldes“
abgeschlossen, und sie waren relativ frei von finanziellen Belastungen.
Jedoch mußten sie sich verpflichten, dem Amt Liebenwalde Dienste zu leisten,
wie Bewachung von Gefangenen, Fahrten für den Richter, Hilfe bei Sturm und
Feuerschäden, Wolfsjagden sowie bei größeren Forstschäden, z. B. Waldbränden
und Raupenfraß. Nach und nach wurden diese Dienste immer weniger in Anspruch
genommen, und die Klandorfer waren froh, daß diese Belastungen bald
in Vergessenheit gerieten.
Die weitere Entwicklung des Dorfes
Als ersten Dorfschulzen wählte die Gemeinde den Kossäten Karl Gansekow.
Oberamtmann Aßmann schildert ihn als einen „klugen, einsichtsvollen
Mann“. Ihm oblag auch die Aufbewahrung und Benutzung des Dorfsiegels. Dieses
zeigt auf einem dunklen Feld eine helle Getreidegarbe, dahinter rechts eine
Harke und links eine Sense. Die Umschrift lautet: „Gemeinde-Siegel Klahndorf
1811.“ Das Siegel verdeutlicht die überwiegend landwirtschaftliche Betätigung
der Bewohner.
Entlang der Dorfstraße pflanzte man Linden.
Auf der Klandorfer Feldmark ließen sich keine großen Reichtümer erwerben,
und so änderte sich in der Wirtschaftsstruktur über Jahrzehnte nichts.
1888 brannte durch einen Kaminbrand die Westseite des Dorfes ab. Wieder
begünstigten die Windverhältnisse und die mit Stroh und Schilf gedeckten
Dächer eine schnelle und weite Ausbreitung des Brandes. Nach diesem
Ereignis wurden die Häuser massiv und längs der Straße errichtet, nicht wie
früher mit dem Giebel zur Straße.
1899 wurde damit begonnen, die Dorfstraße mit Feldsteinen zu bepflastern.
In mühevoller Arbeit brachte man die Steine von den Feldern ins Dorf. Bis zum
Jahre 1914 waren alle Zufahrtswege mit Steinen gepflastert.
Nun war es endlich möglich, auch bei schlechtem Wetter mit trockenen Füßen
durchs Dorf zu kommen. Es war vorher keine Seltenheit, daß ganze Wagengespanne
aus dem Schlamm gegraben oder gezogen werden mußten. Gummistiefel
gab es noch nicht, und so mancher Klandorfer hatte seine Holzpantoffel
bereits dem Schlamm überlassen.
Einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung brachte dem Dorf der Bau der
Eisenbahnlinie von Berlin nach Groß Schönebeck. Am 20. Mai 1901 wurde sie
eröffnet.
Für die Landwirte war es nun möglich, ihre Erzeugnisse direkt in Berlin abzusetzen.
Ebenfalls bestand jetzt für die handwerklich tätigen Bürger die Möglichkeit,
in Berlin Arbeit zu finden, bei der sie auch mehr verdienen konnten als im Heimatdorf.
Bei der Einweihung der Eisenbahnlinie konnte noch niemand ahnen,
daß dreißig Jahre später bei Sperlingsau eine große Mülldeponie entstehen
sollte. Mit der Bahn wurden einige Jahre lang täglich achtzehn Eisenbahnwagen
Müll aus Berlin angeliefert, was bei ungünstigen Windverhältnissen zu unangenehmen
Geruchsbelästigungen führte.
Am 31. Januar 1906 ließ der Gastwirt Ganselow in seiner Gaststube eine
Fernsprechstelle einrichten. (Heute ist aus dem ehemaligen Gasthof das schöne
Ferienheim des Magistrats von Berlin entstanden.)
Das Telefon war für viele Bürger nicht nur in Klandorf ein „Teufelsding“. Es
war kaum zu begreifen, wie die Stimme per Draht z. B. nach Groß Schönebeck
kam und von dort eine andere zurück.
Für die wenigen Geschäftsleute Klandorfs brachte der Anschluß des Ortes an
das öffentliche Telefonnetz natürlich mannigfaltige Vorteile.
Eine weitere große Umwälzung war 1911 der Anschluß des Dorfes an das
„Märkische Elektrizitätswerk“.
Nun konnte erstmals maschinelle Energie zur Erleichterung der schweren Arbeit
auf den Höfen eingesetzt werden. Erst zögernd, wie bei allem, das neu ist,
dann doch in unaufhaltsamen Tempo hielt der elektrische Strom als Beleuchtung
in den Wohnstuben und Stallungen Einzug. Nicht lange und die ersten
elektrischen Motore brummten zum Betreiben von Dreschmaschinen und
Kreissägen.
Einschneidende Veränderungen im Leben der Klandorfer brachte der Ausbruch
des ersten Weltkrieges 1914. Die Mobilmachung wurde im patriotischen
Taumel der damaligen Zeit mit Jubel und Gesang von Kaiserliedern aufgenommen.
Aber nach der großen Begeisterung kam sehr bald die kalte Ernüchterung,
als die ersten Klandorfer in diesem Krieg fielen. Insgesamt kamen achtzehn
Männer ums Leben.
Neben der großen Trauer um die Männer, Söhne oder Väter brachte der Krieg
den Zurückgebliebenen viele Entbehrungen. Im Juni 1916 wurden die Fleischund
Zuckerkarten eingeführt. Fleisch gab es nur noch mittwochs und sonnabends
in Groß Schönebeck. Der Andrang war so groß, daß die Klandorfer schon um
zwei Uhr nachts von zu Hause losgingen, um noch etwas zu erstehen. Selbst
Butter und Eier wurden knapp. Zu dieser Zeit kostete ein Stück Seife 1,25 RM.
Als Ersatz für Kaffee begann man Roggen und Gerste zu rösten. Eine schlechte
Zeit war auch für die Raucher gekommen. Eine Zigarre, die anfangs fünf Pfennig
kostete, stieg im Preis bis 1918 auf 35 Pfennig das Stück.
Die Novemberrevolution von 1918 war auch in dem kleinen märkischen Dorf
spürbar.
Der progressive Lehrer und Kantor Karl Sommer, der sich große Verdienste
bei der Erforschung der Ur- und Frühgeschichte der Klandorfer Gemarkung erwarb,
leitete am 30. November 1918 eine politische Versammlung in Klandorf,
an der erstmals auch Frauen teilnehmen durften. Auf dieser Versammlung wurden
Arbeiter- und Bauernräte gewählt.
Schwer wurde die nachfolgende Inflationszeit besonders für die Familien, deren
Väter im Krieg gefallen oder die arbeitslos waren. Viele traf großes Elend.
Die Preise stiegen ins Unerrneßliche. So kosteten 1922 ein Brot auf Marken bereits
380 Mark, 50 kg Roggen – 14000 Mark und 500 g Butter – 15000-16000
Mark.
So war es verständlich, daß die nationalsozialistische Propaganda auch die
meisten Klandorfer irreführte und sie den Versprechungen der Nazis glaubten.
Wichtig waren für viele zu dieser Zeit Arbeit und Brot. Spät, zu spät, bemerkten
auch die Klandorfer, welche schlimmen Folgen die große Begeisterung für
den „Führer“ und seine Partei hatte.
Derl dem sie 1934 noch eine Eiche gepflanzt hatten, brachte ihnen von 1939
an wieder den Tod ins Dorf.
Wieder zogen Klandorfer Männer in einen grausamen Krieg, der viele unschuldige
Menschenleben forderte. Pferde und Fahrzeuge wurden durch die
Hitlerwehrrnacht requiriert. Das aus dem ersten Weltkrieg schon bekannte Lebensmittelkartensystem
wurde wieder eingeführt. 25 Klangdorfer waren eingezogen worden, und die ganze Arbeit ruhte auf den Schultern der Frauen und älteren
Bürger.
Zur Unterstützung der Erntearbeiten wurden dem Dorf im Laufe des Krieges
neun polnische und später noch zwanzig sowjetische Kriegsgefangene als Hilfskräfte
zugeteilt. Die nächtlichen Bombenangriffe auf Berlin konnten von Klandorf
aus beobachtet werden. Einige Flugzeuge verirrten sich in die Umgebung
des Dorfes und setzten sogenannte „Christbäume“, die die Dorfstraße taghell erleuchteten.
Es wurde notwendig, nachts Brandwachen zu organisieren. Anfang
März 1945 war der Kanonendonner der immer näher heranrückenden sowjetisehen
Front im Dorf nicht mehr zu überhören.
Am 21. April 1945 wurden die Klandorfer Brücke über den Finowkanal. und
die beiden Eisenbahnbrücken gesprengt. Die Faschisten glaubten, dadurch die
vorrückenden sowjetischen Truppen noch aufhalten zu können.
Am 27. April 1945 versuchte der Lehrer Gäbler mit dem sechzehnjährigen
Gerhard Krüger, durch öffentliches Ausrufen auf der Straße die Bewohner zu einer
Versammlung zu ermuntern. Er suchte Unterstützung bei seinem Vorhaben,
den sowjetischen Truppen mit einer weißen Fahne entgegenzugehen. Ihr mutiges
Auftreten hätte sie das Leben kosten können, denn es war SS im Dorf, die
den Plan verhinderte. Mutig waren die Klandorfer auch, als die SS die Räumung
des Dorfes verlangte: alle blieben in ihren Wohnungen, Kellern und Erdbunkern.
Durch ihr geschlossenes Auftreten gelang es den Klandorfern, daß die
SS den Ort unverrichteter Dinge verließ.
Befreiung und Neubeginn
Zwei Granaten, die am 28. April 1945 in der Nähe der Kirche einschlugen, kündeten
von der Befreiung Klandorfs. Der Krieg hatte endlich ein Ende!
Wieder war es der Lehrer Gäbler, der als erster Kontakt mit den einrückenden
sowjetischen Offizieren aufnahm. Er wurde von ihnen als erster Bürgermeister
eingesetzt. Im Haus von Fritz Jost nahm die erste Dorfkommandantur der Roten
Armee ihren Sitz. Der erste Kommandant war ein Sergeant, dessen Name
nicht mehr bekannt ist.
Die sowjetischen Soldaten und Offiziere hatten vier lange Jahre für die Befreiung
ihrer Heimat und vieler anderer Länder gekämpft, die von Deutschen
überfallen worden waren. Deutsche Soldaten hatten in der Sowjetunion gemordet
und geplündert. Jetzt kommen sowjetische Soldaten nach Klangdorf und zu
den ersten Maßnahmen gehören die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit,
das Ingangbringen der Wirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung
mit Lebensmitteln.
Mit dieser Hilfe und mit dem, was der Krieg ihnen gelassen hatte, begannen
die Klandorfer den neuen Anfang. Die selbst hergestellte Butter wurde im Bäkkerladen
von Dietz auf Marken verkauft. Ab Juni 1945 holte man die Milch täglich
von Berlin mit einem alten LKW.
Die größte Sorge der Bauern war, wieder Pferde zu bekommen. Für die Bearbeitung
der Felder mußten unbedingt welche beschafft werden. Geld nutzte wenig,
Ware gegen Ware wurde gefordert. Der Schwarzmarkt blühte und die Nachfrage
nach Destillierapparaten zum Schnapsbrennen war groß.
Durch die Bodenreform sind in der Klandorfer Feldmark 41 ha, sogenanntes
Oberförsterland, enteignet worden. Dieses Land erhielten landarme Bauern.
Eine große Umwälzung in der Landwirtschaft waren die Gründungen der
landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Der Übergang von
privater zur genossenschaftlichen Landwirtschaft verlief keinesfalls reibungslos.
Am 10. März 1960 wurde die LPG „Erntekrone“ unter Vorsitz von Erich Sewerin
und am 12. März 1960 die LPG „Schorfueide“ unter Vorsitz von Otto
Giercke gegründet. Zusammen bewirtschafteten sie 292 ha landwirtschaftliche
Nutzfläche.
1970 vereinigten sich beide Genossenschaften zur LPG Typ IH. Seitdem gab
es mehrere Umstrukturierungen.
Jetzt arbeiten die Klandorfer Genossenschaftsbäuerinnen und -bauern in der
LPG (Pflanzenproduktion) Groß Schönebeck bzw. in der LPG (Tierproduktion)
Stolzenhagen.
Die Entwicklung der Schule in Klandorf
1810 gehörte Klandorf schulisch noch zu Groß Schönebeck. Die Kinder hatten
einen recht langen und beschwerlichen Weg zur Schule und besonders bei
schlechten Witterungsverhältnissen war dies ein auf die Dauer unzumutbarer
Zustand.
Viele Eltern behielten ihre Kinder lieber zu Hause, damit diese auf dem Hof
mitarbeiten konnten. Weil die Gelder für eine eigene Schule fehlten, wurde in
Klandorf eine alte Frau eingestellt, deren Namen nicht überliefert ist, die die
Kinder in den Wintermonaten im Lesen und Schreiben unterrichtete. Wöchentlich
mußte jede Familie pro Kind 6 Pfennige Schulgeld an die „Lehrerin“ zahlen.
1818 wurde endlich mit dem Bau eines Schulhauses begonnen, das 1819 fertiggestellt
werden konnte.
Der Lehrer Schöneberg war der erste Unterrichtende. Bis 1876 war die Schülerzahl
bereits auf 96 gestiegen. Allerdings besuchten niemals alle Schüler‘ die
Schule, da sie als Arbeitskräfte auf den Höfen der Eltern gebraucht wurden. Bei
der Ernte fehlten durchschnittlich 40 % der Schüler.
Zu dieser Zeit war die herrschende Klasse nicht an einem hohen Bildungsstand
der Arbeiter und Bauern interessiert. Neben einer Lese- und Rechenfibel,
Schiefertafel mit Griffel und Schwamm benötigten die Schüler nichts mehr.
Dazu kam noch, daß der Lehrer viel aus der Bibel, dem Gesangbuch und dem
Luther-Katechismus vortrug. Außerdem gab es Anfang des ersten Weltkrieges
noch für jeden Sieg schulfrei. Das änderte sich bald, denn aus den Siegen wurden
Niederlagen.
Auch der zweite Weltkrieg brachte den Schülern viele schulfreie Tage, da ab
1944 wegen der häufigen Fliegerangriffe der Unterricht nicht mehr regelmäßig
durchgeführt werden konnte. 1945, in den letzten Kriegstagen, diente die
Schule als Lazarett.
Bis zum Ende des Krieges befand sich in der Schule eine wertvolle Urnenund
Waffensammlung. Diese wurde unter Leitung des Lehrers Sommer durch
Grabungen mit den Schülern aufgebaut. Sie ist zum größten Teil verschollen.
Zu den ersten Maßnahmen des sowjetischen Kommandanten nach der Befreiung
gehörte neben den bereits erwähnten Versorgungsfestlegungen für die Bevölkerung
auch, daß ab 1. September 1945 der Schulbetrieb wieder aufgenommen wurde. Schwierig war es anfangs natürlich, alle Schüler mit den benötigten
Büchern, Heften und Schreibuntensilien auszurüsten. Aber es wurden in den ersten
Jahren nach dem Krieg die Grundlagen geschaffen, um alle Schüler zu einem
möglichst hohen Bildungsniveau zu führen.
Den Erfordernissen der heutigen Zeit Rechnung tragend, das Bildungsniveau
ständig zu erhöhen, fahren seit 1971 die Klandorfer Schüler nach Groß Schönebeck
und besuchen hier die polytechnische Oberschule.
Die Bedeutung der Feuerwehr für den Ort
Auf Grund der schlechten Erfahrungen, die die Klandorfer mit dem Feuer gemacht
hatten, veranlaßte man von Gründung des Ortes an vielfältige Maßnahmen
zur Verhinderung einer erneuten Brandkatastrophe.
Hier einige Auszüge aus der Feuerlöschordnung für Klandorf aus dem Jahre
1839:
Abschnitt I
Von den Lösch Intrumenten und deren Bedeutung
§ 1
Von öffentlichen Feuerlösch Instrumenten sollen vorhanden sein:
1. Eine Feuerspritze mit 8 Ledernen Eimern …
2. 6 Feuerhaken 20-24 Fuß lang
3. 6 Feuerleitern 20-30 Fuß lang
4.4 Wasserkufen auf Schleifen
5. 1 großer Wasserwagen mit einem Wasserfaß versehen …
§4
Zum Spritzmeister ist ernannt: der Schrnidt Grassunder und dessen Stellvertreter:
der Stellmacher Roeper. Beide dürfen das Dorf nicht verlassen, ohne sich
gegenseitig und dem Schulzen davon Anzeige zu machen …
§ 5
Ein jeder Kossät muß in seinem Gehöft einen Feuerhaken von 12-16 Fuß, eine
Leiter von 30 Fuß und einen ledernen Feuereimer halten, … Fehlt eines dieser
Geräte bei vorkommender Revision, so zieht solches eine Ordnungsstrafe von
einem Thaler zur Orts-Armen Kasse nach sich. Die Dorfgerichte sind verpflichtet,
darauf zu halten, daß sich sowohl die öffentlichen als Privat-Brunnen immer
in brauchbarem Stande befinden.“
Am 4. März 1908 wurde die Freiwillige Feuerwehr Klandorfs gegründet.
Im Februar 1912 erhielt die Wehr eine Spritze, die noch heute von den Kameraden
liebevoll gepflegt wird.
Wie groß die Angst vor einer erneuten Brandkatastrophe war, zeigt sich auch
in den Instruktionen für den Nachtwächter von Klandorf aus dem Jahre 1855.
Hier einige Auszüge:
§ 1
„Es ist für das Dorf Klandorf ein Nachtwächter angestellt, dem die im Dorf gelegenen
Gehöfte zur Bewachung überwiesen sind.
§ 2
Der Nachtwächter ist mit einem Horn und einer Pfeife versehen und soll damit
sowohl die Stunde anzeigen und abrufen, als auch bei entstehendem Feuer die
Einwohner von dessen Ausbruch Nachricht geben.
§7
Der Nachtwächter hat bei seinen Umgängen darauf zu sehen, ob die Haustüren
verschlossen, auch die Fenster in den unteren Etagen zugemacht sind …
§ 9
Auch die jenigen Menschen, welche ihm vielleicht mit Waren und Effekten
auf der Straße begegnen und deren Äußeres den Verdacht erregen könnte, daß
die Waren gestohlen sind, hat der Nachtwächter zu arretieren und dem Dorfschulzen
zu überliefern.
§13
In der Winterzeit bei eintretendem Froste hat der Nachtwächter bei seinen
stündlichen Umgängen in der Nacht, die im Dorfe etwa vorhandenen öffentlichen
Brunnen anzuziehen, um das Einfrieren derselben zu verhindern.
§ 14
Bei einem nahen Gewitter hat der Nachtwächter von Zeit zu Zeit an die Fenster
der unteren Stockwerke zu klopfen, um den Einwohnern auf einen möglicher
Weise eintretenden Unglücksfalle vorzubereiten.
§ 15
Wenn der Nachtwächter Feuer oder Rauch in einem Hause bemerkt, so hat er
sich auf der Stelle davon zu überzeugen, ob wirklich ein Feuer zum Ausbruch
gekommen ist und deshalb so lange an die Haustüre und die Fenster zu pochen,
bis ihm das Haus geöffnet wird.“
Heute ist niemand mehr auf einen Nachtwächter, auf die alten Handspritzen
und hölzernen Wasserfässer angewiesen, niemand muß mehr seine Pferde in Bereitschaft
halten, wie es die alte Feuerlöschordnung noch forderte.
Die modeme Technik machte. die Feuerwehr leistungsfähiger. Trotzdem ist
die Bereitschaft der Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr hervorzuheben, die
jederzeit einsatzbereit ihre gesellschaftliche Verpflichtung, die sie übernommen
haben, erfüllen.
Die Kirche
Besonders den älteren Bürgern fiel es schwer, vor allem bei ungünstigen Witterungsverhältnissen
zum Gottesdienst nach Groß Schönebeck zu laufen. Deshalb
hielt der Lehrer Schönberg schon 1819 in der Klandorfer Schulstube Gottesdienst
ab. Für die Bewohner Klandorfs war dies aber immer nur ein Notbehelf.
Mit einem Brief vom 14. Juni 1840 an die königliche Regierung versuchten sie
erstmals, die geistliche Betreuung zu verbessern.
Es dauerte jedoch noch bis zum Jahre 1863, bis die Potsdamer Regierung
„grünes Licht“ für den Bau einer Kirche gab.
Trotz der großen Freude über eine eigene Kirche brachte diese doch nur Sorgen
und Probleme. Die Glocken mußten mit größter Sorgfalt geläutet werden,
„sonst flögen sie aus dem Turm“, heißt es in einer Akte. Für die Orgel mußten
von der Gemeinde 50 Taler aufgebracht werden. Die Kosten wurden auf die
Einwohner verteilt.
Am 8. 2. 1869 wurde die Kirche unter großer Beteiligung der Bevölkerung der
Gemeinde eingeweiht. Im Jahre 1913 mußte sie bereits einer größeren Renovierung
unterzogen werden. Das Mauerwerk war feucht, und der Turm schien umzustürzen.
Bei diesem Umbau erhielt die Kirche ihr heutiges Aussehen.
Im ersten Weltkrieg sollten die Glocken dem „Vaterland“ geopfert werden. Da
der Turm zu eng war, bekam man aber nur eine Glocke herunter; die große
sollte im Turm zerschlagen werden. Eifrige „Patrioten“ bemühten sich, sie zu
zerkleinern, aber vergebens. Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß den
Klandorfern eine Glocke erhalten blieb.
Kirchlich gehört Klandorf heute noch zu Groß Schönebeck und wird vom
dortigen Pfarramt betreut.
Nach 1945 verließen immer mehr Klandorfer die kirchliche Gemeinschaft, so
daß heute das kirchliche Leben fast zum Erliegen gekommen ist.
Klandorf heute (1986)
Klandorf zählt heute 252 Einwohner, die das Dorf in einen schönen und sauberen
Ort verwandelt haben.
Selbständig organisieren die Klandorfer Bürger vielfältige Aktionen zur Verschönerung
ihrer Umwelt. Dabei leistet der Ortsausschuß der Nationalen Front
seinen aktiven Beitrag.
Der Jugendklub Klandorfs entwickelt große Aktivitäten bei der Gestaltung eines
niveauvollen und abwechslungsreichen Jugendlebens. Die Ortsgruppe des
DFD zeichnet für vielfältige Veranstaltungen innerhalb des Ortes verantwortlich.
So finden zum Beispiel regelmäßig Sportveranstaltungen der Gymnastikgruppe
statt.
In Eigeninitiative errichtete der Bürger Arno Gielsdorf eine Amateursternwarte,
die zu den Attraktionen der Gemeinde gehört und seit 1979 mit einem
600 mm Teleskop zu den größten Amateursternwarten Europas gehört.
In der Dorfstraße befindet sich ein alter Freiluftbackofen, der 1980 vom Rat
der Gemeinde rekonstruiert wurde, und der von interessierten Bürgern und
Gruppen genutzt werden kann.
In 175 Jahren hat sich aus den ehemals 16 Kossätenhäusern ein Dorfentwikkelt,
in dem sich alle Bürger wohl fühlen, und in dem auch der Jugend eine Perspektive
geboten werden kann. Wenn junge Leute sich aus alten Häusern mit
Unterstützung unseres Staates schöne und große Wohnungen bauen, dann
zeugt das davon, daß sie dieses Dorf lieben, und daß sie auch hier leben möchten.
Der Rat der Gemeinde tut alles, um solche Aktivitäten zu fördern und zu fordern,
damit Klandorf auch in Zukunft bleibt was es ist:
„Ein schönes und produktives Dorf“
Chronik – Einige weitere Ereignisse im Dorf
1884 – der Lehrer A. Fielitz gründet einen Männergesangsverein;
1896 – der Gemeindevorsteher A. Weber wird am 18. 1. vom Pferd erschlagen;
1903 – am 19. April beginnt ein starker Schneesturm, der 36 Stunden anhält;
noch 14 Tage später ist der Schnee nicht gänzlich geschmolzen;
– am 3. Juni brennt dem Büdner Inrkel seine fast neue Scheune vollständig
nieder;
1904 – in diesem Sommer herrscht eine sehr große Trockenheit, in deren
Folge viele Brunnen versiegen;
– die Kartoffel- und Heuernte fällt sehr schlecht aus;
– 48 Gehöfte haben einen Viehbestand von 91 Pferden, 214 Rindern, 271
Schweinen, 106 Ziegen.
1908 – im Mai wird das Urnenfeld am Bahnhof durch den Lehrer Sommer
ausgegraben. Die Urnen enthalten Fibeln, Ringe, Spangen aus Bronze
und Eisen.
– Am 18. Dezember landet hinter der ehemaligen Mühle der Ballon „Podeuvils“
vom Berliner Luftschiffahrtsverein; .
1911 nach einem sehr heißen Sommer (23.7. – 35 -c im Schatten), folgte
ein sehr kalter Winter, in dem Weinreben und Obstbäume erfroren;
1914 – auf dem Friedhof wird eine Leichenhalle für 1700 RM erbaut;
1917 – am 4. November findet das 400jährige Reformationsjubiläum statt;
– im Wald herrscht eine große Raupenplage, die Kiefern haben keine
Nadeln mehr. Unter den Bäumen liegen bis zu 3 cm dick die Raupen
des Kiefernspinners;
– am 4. Februar werden – 29 „C gemessen und noch im Mai ist der Boden
teilweise gefroren;
1922 – am 6. Juni brennt die Klandorfer Windmühle nieder;
1923 – es leben über 50 Arbeitslose in Klandorf;
1924 – erneut sucht eine Raupenplage die Kiefernwälder heim;
1925 – am 24. Mai wird die Gedenkstätte für die 20 Gefallenen eingeweiht;
1933 – der Lehrer und Kantor Sommer legt sein Amt aus Altersgründen nieder;
1944 – mehrere deutsche und alliierte Flugzeuge stürzen in der Nähe Klandorfs
ab;
1949 – die 1945 gesprengten Eisenbahnbrücken über den Kanal werden wieder
in Betrieb genommen;
1960 – unter großer Beteiligung der Einwohner Klandorfs wird die ISO-Jahr-
Feier des Ortes vorbereitet und durchgeführt; Höhepunkt ist ein Festumzug
in historischen Trachten;
1974 – erfolgt die Angliederung Klandorfs als Ortsteil an die Gemeinde Groß
Schönebeck;
1979 – im September beginnt Arno Gielsdorf in seinem Garten mit dem Bau
eines 600-mm-Teleskops. Damit entstand eine der größten Amateursternwarten
Europas .