Die Geschichte von Schluft VI
Der Kampf um Schluft
Nachdem abzusehen war, dass es mit der Anlage zu Ende gehen und
es in naher Zukunft keine Plantage mehr geben wird, war zu über-
legen, wie der Ort zu nennen war. In dem es nun galt zu überleben,
denn eine Arbeitsgrundlage - die Seidenproduktion gab es nicht
mehr. Was lag näher, als den Ort ausschließlich Schluft zu nennen; in
einem Schreiben von 1787 wird. " .. von der Schlufft bey Uhlenhof"
geschrieben und dabei blieb es dann auch.
Bereits seit 1785 wird zwischen Uhlenhof und Schluft unterschieden
und seit zu erkennen war, dass die Plantage keinen Bestand mehr
haben wird, bemühten sich die Kolonisten um die Übertragung ihrer
Wohnungen und dem Gartenland in ihr persönliches Eigentum. Ob-
wohl Uhl dem sich nicht entgegenstellen wollte, weigerte er sich
über Jahre, die versprochenen Erbverschreibungen auszustellen.
Verzweifelt wenden sich die Kolonisten, die sich teilweise immer
noch als Ausländer fühlten, gegen die Attacken des Kommissionsrats
Uhl, der immer noch davon ausgeht, dass ihm alles gehören würde.
Ein Eindruck von der damaligen Situation gibt der nachfolgende
Brief wieder:
"Er. Konigl. Majestät geruhen in allerhöchsten Gnaden sich hier
durch allerunterthänigdt bittend vorstellen zu laßen, daß bey den
ertsen Anzug, auf der Schlufftschen Colonie mein Vater ein wahrer
Außländer und Meckelburger von Geburt der erste auf der Schlufft
geweßen, nun mehr vor einiger Zeit verstorben, so bin ich sein leib-
licher, und einziger Sohn Joachim Sashe eben auch ein Meckel-
burger gebürtig und mit in Lande gekommen, habe auch mich 12
Jahr vor meines Vaters Tode etabliert, und zur Mithe gewohnt bis
jetzt. Da nun aber nach Absterben meines Vaters der Comesßons
Rath Uhl dieselbe Wohnung einen hiesigen, Nahmens Martin Schulze
zubewohnen über laßen, und mir der ich das nächste Erbrecht hierzu
habe und ein Ausländer bin solches entsagt auch habe noch über
dem schon 3 Söhne gezeugt und mich bis dahin auch als ein ehrlicher
Mann verhalten, so daß ich keine Vorwürfe aufkeinerley art zu be-
fürchten habe, aber alles dießes da ich in das Comesßons Raths Uhl
seine Behausung bis jetzt gewohnt, undnunmehr auf meines Vaters
Wohnung zu beziehen angetragen, derselbe mich so gar zu Michalis
zu räumen anbefohlen. So sehe ich nicht ein wie man mit mir um-
gehen wolle, (. .. ) so hör doch daß Er. König!. Maj. denen Colonisten
der Schlufft die Erbverschreibung der Wohnung angedeihen solle
mithin ein solches eben auch auf mich gereichen müßte ... , Joachim
Sashe, Schlujft, 11. Mer: 1788. "
Hieraus erfahren wir erstmals, von dem ersten Bewohner von Schluft
"Sasse", der aus Mecklenburg nach Brandenburg gekommen war und
der sich als Ausländer diskriminiert fühlte. Ähnliches schreibt Martin
Friedrich Mittelstädt, der sich ebenfalls als Kolonist ausgibt und er-
klärt, dass sein Vater bereits verstorben sei.
Es zeigt sich, dass bereits die erste Gründergeneration am Absterben
war und mehr oder weniger unbekannt, in die dunklen Weiten der
Geschichte versank. Es sind nunmehr die Kinder, die um die Rechte
ihrer Eltern kämpfen und um ihren eigenen Familien eine Heimat
schaffen zu können.
In einem Erbverschreibungsentwurf von 1789
wird den Kolonisten u. a.
1. Denselben die Wohnung bestehend in einer Stube von 2
Fenstern, nebst Cammer, Bodenraum und Flur, und der dazu ge-
hörigen Garten von 1 Morgen 180 Ruthen exclucive der Haus- und
HofsteIle, dergestalt verliehen, daß nach seinem Tode eins von
seinen Kindern, welches sich vorzüglich dazu qualificiret unter aber
den selben Bedingungen antreten kann.
2. kann er diese Büdnerstelle an keinen anderen als einen Ausländer
oder Invaliden veräußern. "
zugestanden.
Zusätzlich wohnten in dem Haus, das eigentlich für die Zucht der
Seidenraupen bestimmt war, der Tagelöhner Cristian Primus, Joa-
chim Sasse, Martin Kalbe, der Stellmacher Sommer und die Witwe
Mumkelberg.
Auf dem Uhlenhof, der als selbstständiger Bereich angesehen
worden war, wohnten Christian Drewelow, Friedrich Reuchler (7),
Karl Wilkopf, die Witwe Schramm, Christian Giese, Christian Zech,
Martin Zech, der Schmied Andreck, Martin Rackow, der Schäfer
Friedrich Döhring, der Kuhhirte Martin Plage und Karl Stahl berg.
Auf dem Karpfenpächterhaus Michael Köppen und der Tagelöhner
Springer.
Bis 1805 hatten sich die Schlufter, aufgrund der verweigerten Erb-
verschreibungen für ihre Wohnungen, geweigert, Abgaben zu zahlen.
Daraufhin wurde ihnen eingeräumt, in ihre Heimat Mecklenburg
zurückzukehren, worin sie jedoch keine Lösung ihrer Probleme sa-
hen und blieben.
Die Kolonisten bemühen sich nun in mehreren Versuchen weiter, ulm
eine Verschreibung ihrer Wohnungen, und als alles scheiterte,
wenden sich im Jahre 1805 mit ihrem Anliegen erneut an den König,
der Brief beginnt:
"Sire - Huldreichster Monarch treuester Landes Vater, dessen hohe
Gnade sich über alle und jede, treuen und gehorsamen Vasalen und
Untethanen erstreckt .... "
Für uns heute unvorstellbar, mit einem Anliegen, in solch einer
unterwürfigen Form bei der Amtsverwaltung vorzusprechen und auf
deren Gnade angewiesen zu sein - auch wenn manch heutiger Funk-
tionsträger es gern so hätte. Sie gehen jedoch fälschlicherweise
davon aus, dass ihnen die Wohnungen und ein Teil des Grundstückes
bereits mit ihrer Ansiedlung 1752 erblich gehörte. Sie werden dar-
über aufgeklärt, dass Uhl nach wie vor Eigentümer ist und sie an
diesem, wie früher, Miete zu zahlen haben. Nur durch eine Ver-
schreibung durch Uhl kann das Nutzungsrecht in ein Eigentumsrecht
umgewandelt werden. Den zwischenzeitlichen Plan, nach Groß
Schönebeck umzusiedeln, um dort ihrer Arbeit nachgehen zu
können, lehnen sie ab.
H ie bitten deshalb für jeden, um 0,25 Hektar Gartenland, wofür sie
bereit sind, jährlich 4 Taler zu zahlen und 12 Tage im Jahr bei der
lirnte auf Uhlenhof zu helfen, 9 Hektar als Gemeindeland, das kleine
Birkluch und die Markgrafenwiesen. Sowie eine Wohnung, eine Kuh
lind Schweine Weide in der königlichen Forst.
I 807 erhalten 14 Kolonisten von Uhl die Zusage, ihnen die ge-
wünschten Erbverschreibungen zu erteilen. Es sind: Nieckandt, De-
;elow, Dehnert, Karbe, Schulz, Schulz, Haberland, Wendland,
Krohne, Meier, Trill, Sommer, Lüdke und Kalhofen. 1830 werden
noch andere, wie Mahnkopf und Zehagen erwähnt. 18
Doch dauert es noch bis zum 7. Oktober 1810, erst dann hat jeder
selbst seine eigene Wohnung, sein Gartenland im vollen privaten
Eigentum. Erst jetzt sind sie eine eigenständige Gemeinschaft - Ge-
meinde Schluft geworden.
Im Jahre 1853 brannten bei einem erneuten Feuer die beiden westlich
ler Dorfstraße gelegenen Wohnhäuser ab, die bis dahin 4 Familien
Platz boten.
Jede Familie konnte sich danach ein eigenes Haus erbauen, womit
das jetzige Dorfbild wesentlich geprägt wurde. Diese Stelle an der
Dorfstraße zwischen den Grundstücken Futh und Rosenberg (heute
rüne und Krebs) ist heute noch in Schluft als Brandfläche bekannt.
Frau Rosenberg verkaufte das Grundstück mit Datum vom
17.10.1939, ihr Mann August Rosenberg war 1935 in Schluft ver-
storben (* 26.02.1887), nachdem sie massiv bedrängt wurde an die
tiftung Schorfheide und zog 1939 nach Klandorf. In das Haus zog
der Forstarbeiter Brüsch ein. Durch die Bodenreform erhielt er das
Haus und die Ländereien zugesprochen. Später viel es an die Ge-
meinde und wurde nach der Wende privatisiert.
Mit der Errichtung des Naturschutzgebietes Schorfheide 1929 begann sich der Stern von Schluft erneut zu
senken. In einem Entwurf zur Verordnung zum Naturschutzgebiet aus dem Jahre 1936 war im § 3,
Buchstabe k festgelegt, dass Neubauten verboten waren,
"Gestattet sind innerhalb der geschlossenen Ortschaften- Ersatz- und Ergänzungsbauten vorhandener
Gebäude sowie die Errichtung kleinerer für den bestehenden Wirtschaftsbetrieb notwendiger
Baulichkeiten. "
Doch schon vorher wurden hinter verschlossenen Türen im Zuge der Gründung der Stiftung Schorfheide
weitreichende Maßnahmen diskutiert, die langsam, bis-in die. Gemeinden hinein durchsickerten.
Durch den Regierungspräsidenten in Potsdam wird deshalb 1935 eine Anfrage an den Kommissar für
Naturdenkmalpflege in der Mark Brandenburg gestellt, um Klarheit zu gewinnen und die Einwohner von
Schluft nicht im Ungewissen zu lassen. In der heißt es:
.Bauverbot in Schluft/Niederbarnim
Auf die obige Anfrage erwidere ich streng vertraulich wie folgt:
Die Anweisung des Herrn Ministerpräsidenten ist mir bekannt. Schluft ist eine Enklave im
Naturschutzgebiet Schorfheide, das schon jetzt als Reichsnaturschutzgebiet behandelt wird. ... Flächen,
die in oder an einem Reichsnaturschutzgebiet liegen, können enteignet werden. Bei der isolierten Lage
der Ortschaft Schluft ist damit zu rechnen, dass von den Möglichkeiten des genannten Gesetzes hier
Gebrauch gemacht wird. In diesem Falle erscheint es durchaus folgerichtig, die Bautätigkeit
abzubremsen und Zuzug zu verhindern, denn im anderen Falle müssten ja die neuen Siedlungen in
baldiger Zukunft mit den bereits vorhandenen enteignet werden… Ich darf bitten mich hierbei nicht zu
nennen, da ich mit dieser meiner Mitteilung eigentlich schon in Hinsicht auf meine Stellung im
Reichsforstamt meine Befugnisse ein wenig überschreiten mußte. "
Schon am 13. 11. 1935 wies Göring an, dass unter keinen Umständen innerhalb des Naturschutzgebietes
Schorfheide neue Bauerlaubnisse erteilt werden dürfen und soweit solche erteilt sind, sofort
zurückzuziehen. Zudem war es verkaufswilligen Grundbesitzern nur möglich, an die Stiftung Schorfheide
zu verkaufen, sie erzielten dabei einen höheren Erlös, als wenn sie an private Interessenten verkauft
hätten.