Die Geschichte von Schluft IV

Geschrieben von Günter Vogler am . Veröffentlicht in Ortsteil Schluft

Seidenraupen "auf der Schluft"

 

Unter König Friedrich TI. galt verstärkt der Grundsatz soviel wie

möglich im Inland zu produzieren und so wenig wie möglich zu im-

portieren. Vor allem galt das für die aufkommende Glas- und Textil-

industrie. Um nicht die begehrte und sehr teure Seide aus dem Aus-

land einführen zu müssen, wurden zum Beispiel die Pastoren an-

gewiesen, auf den Kirchhöfen Maulbeerbäume anzupflanzen. Die

Blätter der nicht heimischen Maulbeerbäume wurden für die Zucht

der Seidenraupe benötigt, damit diese den eigentlichen Seidenfaden

produzieren konnte.

Möglicherweise hatte Uhl schon 1740 damit begonnen, in unmittel-

barer Nähe seines Gutes, Versuche mit der Pflanzung von Maulbeer-

bäumen durchzuführen. In einer Beschreibung wird auf die Frage des

Beginns der Plantagenanlage das Jahr 1740 genannt, obwohl tatsäch-

lich Uhl erst 1750 offiziell den Antrag stellte, eine solche errichten

zu dürfen. Daraufhin wird sein Chef, der Oberforstmeister

von Knobelsdorff, aufgefordert, ein

entsprechendes Gutachten anzu-

fertigen, um die Durchführbarkeit

eines solchen Unternehmens unter

Beweis zu stellen. Vor allem des-

wegen, weil Uhl für den Bau der

Wohnhäuser, des Seidenraupenhauses

und der Einzäunung freies Holz vom

König bewilligt haben möchte. Das

kurze Gutachten fällt nicht zugunsten

von Uhl aus. Der Oberforstmeister

schreibt am 08.Mai 1751, "Ich bin dahero der unvorgreiflichen

Meynung, daß da des Hr. Landjäger Uhlen sein Vorwerk mit sehr

vielen Wohlthaten, so selbiges aus deren Konigl. Forsten genießet,

( ... ) derselbe die Anlegung der Maulbeer,

Plantage auf seine Kosten gar füglieh. bewerckstelligen könne, und

wäre genug wenn derselbe zu Anlegung eines Familien-Hauses, das

nothige Bau und Brenn Holz.frey erhalte.

Eu. Hochlöbl. Konigl. Churmärk. Collegium wird überzeugt seyn,

daß die neun Colonisten Dörffer welche in meinem District be-

sonders Starck angewachsen, meine mir anvertraute Forsten sehr

mitgenommen. "

Er bittet deshalb, alles in der Welt mögliche zu unternehmen, damit

keine neuen Ansiedlungen erfolgen und die Forsten geschont wer-

den. Dem Landjäger Uhl empfiehlt er,

. " .. vielmehr bitte ich den Landjäger Uhl, dafür zu sorgen, daß die in

seinem Revier befindliche große leeren Flecke mit mehreren Fleiß

hinwiederum mit Holze angebaut, und nicht ferner, aller Welt zur I

Bewunderung leer liegen bleiben müßen, wodurch sich derselbe ein

weit größere Merite, und welche auch mit seiner Bedienung be-

sonders genau verknüpfet erwerben wird, als wenn derselbe wegen

Anbau vieler Familien-Häuser, welche Ihm doch lediglich zum

Vortheil gereichen, müsse eine schlechte Maulheer-Plantage, zu Er-

leichterung diese Anbaues, anzulegen, sich Mühe geben will. " J J

Uhl antwortet darauf, dass er nur dem hohen Ansinnen seines Königs

gefolgt sei, den Seidenbau in Preußen voran zubringen. Er weißt dar-

auf hin, dass der Boden ihm selbst gehört und der Bauplatz nur von

einigen Sandhügeln durchzogen und mit geringem Bewuchs

bewachsen ist. Uhl wartete nicht länger und beginnt mit der Ein-

richtung der Anlage. 1751 hat er bereits 1 500 Bäume gepflanzt,

jedoch noch keine Genehmigung für das Holz erhalten. Im Mai bittet

er, durch einen "kompetenten Zimmermeister" feststellen zu lassen,

wie viel Holz für die vier Wohnhäuser, einem Seidenraupenhaus,

Brunnen und des Zaunes benötigt wird. Insgesamt beabsichtigt er 16

Familien anzusiedeln, die alle "ausländisch" sein sollen. Nachdem

um 24. Dezember 1751 aus Groß Schönebeck der Kriegs- und

Domänenrat Pfeiffer an den König Friedrich 11. schreibt,

. " .. daß des Uhlens Bitte wohl acceptable sey, und daß das zu roden-

ie terrain von schlechter Beschaffenheit ... "

Der König antwortet bereits am 30. Dezember, manch heutige

öffentliche Verwaltung sollte sich daran ein Beispiel nehmen,

"Als befehlen wir Euch hierdurch allergehorsamst von dem erforder-

lichen nöthigen Bau Holze einen Anschlag anfertigen zu laßen und

zur Approbation einzusenden, auch sonst daß ferner nöthige zu ver-

fügen ... "

Mit dem 19. Januar 1752 schlägt die Geburtsstunde des späteren

Schluft. Uhl erhält die .Erbrins Verschreibung ... von Se:k:M: 11 und,

kann nun endlich beginnen. Doch erst als der Landrat von Nüßler die

Plantage" visitiert" kommt Schwung in die Anlage.

r schreibt:

"Es ist wohl eine der schönsten Anlagen welche ein Privaty in Eure

Königl. Majäs. Landen auf seine Kosten anlegen kann, und wäre zu

wünschen, daß Eure König!. Majäs. So glücklich seyn möchten viele

der gleichen Entrepreneurs in dero Landen zu finden. " 12

Im April 1752 erhält er die Zustimmung für sein Holz und kann nun,

auf einer Fläche, die. H •• die alte Schluft" genannt wird, bauen. Diese

Erwähnung ist nicht die erste, denn bereits 1715 erhält Uhl zu seinem

Uhlenhof noch 6,5 Hektar "Heideland" auf dem sogenannten

"Schlufft. " Dabei handelt es sich um eine Flurbezeichnung aus dem

mittelhochdeutschem Wort "sluft" abgeleitet, was soviel bedeutet

wie Schlucht. An anderer Stelle wird definiert.

Schluft: "Von dem Zeitworte schliefen, ein enger, schmaler Ort,

durch welchen man gleichsam nur schliefen kann, .... Ein enges Thal

wischen zwei Bergen, ein tiefer Wasserriss an einem Berge, ein

hohler Weg wird in vielen Gegenden eine Schluft genannt. Uns

kann es eigentlich egal sein, denn wir assoziieren mit den Namen

letztlich nur unser zu Hause. Das Jahr 1752 ist auf jeden Fall gleich-

zusetzen mit der ersten Ansiedlung von 16 Spinner Familien auf der

alten Schluft und von daher, mit gutem Grund ein Jahr zum feiern,

obwohl es damals nicht viel zum feiern gab.

 

Insgesamt wurden vier zwei Etagen hohe Fachwerkhäuser mit Stroh-

eindeckung ganz aus Holz gebaut. Jede Familie hatte zwei Stuben, 2

Kammern und eine nach oben offene Küche für den Rauchabzug, der

gleichzeitig als Räucherkammer zu nutzen war. In diesen Räumen

spielte sich das ganze Familienleben ab, mit seinen guten und

schlechten Seiten. Für unsere heutigen Verhältnisse ist es kaum vor-

stellbar, dass Familien mit vier und mehr Kindern, ohne sanitäre Ein-

richtungen, ohne Elektrizität, fließend Wasser und ohne jegliche

Haushaltshilfen wie Waschmaschine, Kühlschrank oder Spül-

maschine so leben mussten. Allgemeine Armut war täglich gegeben

und der Speisezettel sah mehr wasserhaltige Mehlsuppen als fleisch-

haltige Nahrung vor.

 

Während einer erneuten Kontrolle wird bemängelt, dass die Plantage

noch nicht fertig ist und erst ein Wohnhaus bezugsfertig sei. Der

Landjäger begründet den Rückstand mit seiner" Gicht", die ihm acht

Wochen an sein Bett gefesselt habe, aber auch mit der sehr späten

Bewilligung des Bauholzes.

 

Er sichert zu:

 

. " .. daß obige Colonisten Häuser bis 8 Tage nach Michaelis in gant:

completten Stande, und mit Colonisten besetzt seyn sollten ",

 

die vier "Einländer" und die zwölf "Ausländische Familien" bereits

über einen V ertrag verpflichtet sein. Diese hatte er in Mecklenburg

und Sachsen für seine neue Plantage überzeugen und gewinnen kön-

nen. Ob tatsächlich aus Sachsen Familien hierher zogen, ist nicht

gesichert und muss bezweifelt werden, auch wie mancherorts ver-

merkt, waren sie auch nicht aus der Pfalz.

Zu dieser Zeit hatte er schon 4 200 Maulbeerbäume gepflanzt, von

denen 3 200 bereits ein Alter von 7-8 Jahren hatten. Die restlichen

3800 Bäume versprach er im Herbst zu pflanzen. Zusätzlich hatte er

vorgesehen, auf Uhlenhof eine kleine Baumschule anzulegen, wo er

12 000 Bäume ziehen wollte, um auf Ersatzpflanzen zurückgreifen

I',U können. Zum Abschluss wird ihm bescheinigt, dass die Plantage

j n einem guten Zustand ist und mit einem Gelingen der Zucht zu

rechnen wäre. Insgesamt hatte die Maulbeerbaumplantage eine Flä-

.hengröße von 13 Hektar, auf der 7878 Bäume standen, die ständig

I n Handarbeit gepflegt werden mussten. Das Seidenraupenhaus wird

jedoch erst 1753 errichtet und fertiggestellt.

 

W LUde bisher immer nur von der" Plantage" oder" die Plantage bey

Groß Schonebeck" gesprochen und geschrieben, kam mit dem Nie-

dergang der Plantage, die Ortsbezeichnung Schluft zunehmend in

Icbrauch.