Legenden und Wahrheiten aus Böhmerheide V

Geschrieben von Helmut Suter am . Veröffentlicht in Ortsteil Böhmerheide

Die Erben des Jürgen und Hermann Bohm

Waren es 1444 zwei, 1645 fünf Böhmer, die mit dem Böhmerland belehnt
wurden, so waren es jetzt schon neun, die sich das Erbe teilen wollten. Sie
wohnten teilweise in Groß Schönebeck, Hammer, Schmargendorfund Templin.
Aber auch aus Saane im Kanton Bern meldete sich ein Peter Baumer, der schon
in der Schweiz geboren wurde, um seinen Erbanspruch anzumelden und sich
auf seinem Teil ein Haus bauen zu können. Vermutlich haben es die Böhmer
Siegismund Lewin zu verdanken, daß der Erbanspruch geltend gemacht wurde,
denn er war der Schreiber des genannten Briefes von 1686. Er muß wohl gerade
auf Urlaub in Groß Schönebeck gewesen sein. Er war Soldat und kämpfte dort,
wo gerade Soldaten gebraucht wurden.
Mit zweien seiner Söhne schlug er sich sogar als Kurier im Türkenfeldzug. Von
ihm haben wir das einzig erhaltene Wappen der Bohm's auf Böhmerheide aus
jener Zeit in Form eines Siegels überliefert bekommen. In einem Brief vom
13. Juli 1686 an den preußischen Kurfürsten siegelt und unterschreibt er eigen-
händig mit "Sigismund Lewin Baum" (Abbildung auf dem Einband).
Das Siegel ist leider nicht vollständig abgedrückt, es ist nur zu erkennen, daß
es achteckig ist und einen geharnischten Arm mit Schwert und Krone (oder
Helm), auf der ein Baum thront, darstellt. In der späteren Zeit sind andere
Wappenformen dazugekommen, so ein Wappen aus einer schwedischen Linie,
aus dem 1937 das Wappen für die kurmärkische Linie der Bohm's abgeleitet
wurde.
Zwei Könige sterben darüber hinweg, bis man sich geeinigt hat und es am
06.02.1714 zu einer neuen Belehnung kommt. In dieser Belehnung wird der
Besitz auf acht Familien verteilt. 1714 kommt es zu der ersten Bebauung auf
dem Böhmerland. Adam Baum wird es gestattet, auf der Feldmark Alt Gröben
ein Haus zu bauen und " ... dabei notdürfig Horn Vieh zu halten." Es war damals
üblich in dem Balken über dem Kamin das Jahr des Hausbaus einzustemmen,
das tat auch Adam Baum und schlug die Jahreszahl 1715 ein. Nach 1715 kam
die Redewendung auf, daß er auf "Böhmerheide "wohnt. Um 1935 wird dieses
Haus wegen Baufälligkeit abgerissen.
Mit dem Vieh hatten die Böhmer mehrfach ihre Sorgen, nicht mit ihrem eigenen,
sondern mit dem aus dem Dorf Hammer. Am 10.03.1710 schreibt der königliche
Amtsschreiber Neuendorf über eine Streitfrage zwischen den Bohm's und der
Schäferei in Hammer: "Die Bohm's verlangen, daß die Hütung der Schweine
und Schafe in der Schorfheide über ihre Feldmark untersagt wird." Bei einer
Ortsbesichtigung wird festgestellt, daß die Hammersehen auf dem Weg zum
Treptowfließ dort entlang müssen. Würde die Hütung untersagt, bestünde die
Gefahr, daß die Schorfheide in diesem Teil verwachsen würde und die Ham-
merschen in ihrer Nutzung geschmälert würden, die sie seit 1589 inne haben.
Die Bohrn's verweisen in diesem Brief, daß sie vor mehr als 350 Jahren mit der
Feldmark belehnt wurden und ihr Erbregister 150 Jahre alt sei. Der König möge
die Sache im Guten regeln. Die Klage der Gebrüder Bohm wird zurückgewie-
sen; sie müssen weiterhin das Durchziehen der Viehherden dulden. Gleichzeitig
wird das Treptowfließ als Grenzfließ zwischen Groß Schönebeck und Liebent-
hal bestätigt. Diese Gemarkungsgrenze hat heute noch ihre Gültigkeit.
Mit der Schäferei hatten die Bohm's auch später noch ihre Nöte, in einem
Gerichtsurteil von 1802 wird ihnen sogar verboten, Schafe zu halten, da diese
im Schreiben von 1714 nicht aufgeführt worden sind. Die Bohm's haben sich
jedoch nie daran gehalten, wie eine Geschichte, geschehen um 1850, zeigt.
Damals war auf Böhmerheide der Schäfer Ballert tätig. Während der Mittagszeit
pflegte Ballert in seinem zweirädigen Karren ein kleines Nickerchen zu halten.
An seinem lauten, alles übertönenden Schnarchen konnte der Bohmsche Nach-
wuchs erkennen, daß die Luft rein war. Sie schlichen sich zu dem Karren und
mit einem kurzen Ruck, kippten sie den Karren hoch. Ballert, der voller Schreck
erwachte und meinte die Welt sei dem Untergange nahe, erkannte bald, daß die
Hoferben ihm einen Streich gespielt hatten. Wutentbrannt sprang er aus dem
Karren, ließ ein wortreiches Donnerwetter aus seinem bärtigen Munde sprudeln
und hetzte seinen Hund auf die Kinder. Der rannte bellend hinter den Kindern
her und war der Meinung, endlich wieder mit ihnen spielen zu können, als nur
den ganzen Tag auf die Schafe aufzupassen, was Ballert nochmehr erzürnte.
Ein anderes Mitglied der Bohmschen Familie siedelte sich 1783 in unmittelba-
rer Nähe des Kuhpanzsees auf der Gemarkung Hammer an. Diesen Hof nannten
sie Klein-Böhmerheide, während der 1715 an der Straße von Hammer nach
Groß Schönebeck errichtete Hof noch bis 1945 teilweise Groß-Böhmerheide
genannt wurde. 1810 ist dort ein größeres Wohnhaus mit Schilfeindeckung
errichtet worden, das heute noch zu sehen ist. Leider ist von den ehemaligen
Bewohnern die am Giebel zur Straße vorhanden gewesene alte Eiche vor drei
Jahren gefällt worden. 1897 brannte der Hof auf Klein-Böhmerheide nieder
und ist nicht wieder aufgebaut worden.
Im Januar 1806 verstarb Joachim Christian Bohm zu Groß Schönebeck. Zu
seinem Nachlaß gehörten, aus den Lehnsbriefen, Teile der Feldmark Gröben .
Leider hatte er keine männlichen Nachkommen zeugen können, so daß norma-
lerweise seine drei Töchter von denen zwei sich mit einem Mann Namens Bohm
verheiratet hatten, nicht erben konnten. Jedoch zeigten sich die Behörden
einsichtig und bestätigten 1807, daß gegen einen Erbantritt keine Einwände
bestehen.
Am 26.05.1896 löste sich die Lehnsgemeinschaft auf, alle Grundbesitzer erhiel-
ten ihren Besitz erblich verschrieben und wurden ins Grundbuch eingetragen,
was juristisch schon 1850 geschah. Bei der Auflösung fanden sich 57 männliche
Lehnsberechtigte zusammen. Als Gesamteigentum aller 57 galt nur noch der
Weiße und der Papen See. Der Papen See befand sich unmittelbar an der
Chaussee, er ist heute nur noch als ein feuchtes Luch erkennbar und bildet die
Grenze zum Biosphärenreservat, in dem die alte Siedlung von Groß Böhmer-
heide liegt.
Um 1900 hatten sich die landwirtschaftlichen Verhältnisse auf Böhmerheide
derart verschlechtert, daß sich die letzten Bohmschen Besitzer von Groß Böh-
merheide entschlossen, den Hof 1912 zu verkaufen. Die Gründe dafür sind
naheliegend, die Schafzucht brachte nichts mehr ein, weil deutsche Wolle
keinen Absatz mehr fand. Der Sohn war noch nicht erwachsen und mußte noch
seine zweijährige Militärzeit ableisten. Die Böden, meist sandig und trocken,
brachten nicht die gewünschten Erträge.
Am 06.02.1913 verkaufte Wilhelm, Julius, Theodor Bohm seinen im Grund-
buch als Landgut Groß Böhmerheide eingetragenen Besitz in einer Größe von 104

Hektar, an Werner Schimmelpfennig aus Berlin. Somit wurde Böhmerheide
Wochenendsitz und Jagdgut des Käufers. Der wiederum verkauft das Landgut
weiter an die Firma Walter Boye, die durch Zukäufe das Gut bis 1936 auf 350
Hektar vergrößerte.
Durch die Firma Boye wird der Wirtschaftshof vergrößert und auf den damali-
gen neuesten Stand gebracht. Alte Gebäude wurden abgerissen, nur das alte
Wohnhaus aus dem Jahre 1810 ließ man stehen, das noch heute besichtigt
werden kann.
Ein jähes Ende für das Landgut läuteten die neuen Herren nach 1945 ein.
Großgrundbesitz war verpöhnt. Am 30.06.1945 wurde das Gut Böhmerheide,
noch 285 Hektar groß, mit der Aktion "Bodenreform" enteignet und an "Neu-
bauern" aufgeteilt.
Mit der Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften
(LPG) wurden diese ihr Land wieder los und konnten es nur noch genossen-
schaftlich bewirtschaften. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite errichteten
die Genossenschaftsbauern große Schweineställe, in denen Schweinemast be-
trieben wurde. In dieser Zeit wurde das Gut gänzlich in Grund und Boden
gewirtschaftet. Als die Schweinemast aus ökologischen Gründen eingestellt
werden mußte, hinterließen die volkseigenen Genossen das noch heute zu
sehende Chaos.
Alles hofft und wartet auf den, der den Mut hat, die Altlasten zu beseitigen und
einen Neuanfang zu wagen.
Somit geht eine fast 500jährige Geschichte zu Ende, die mit Hoffnung und
fleißiger Hände Arbeit im 15. Jahrhundert begann und die, mit Ruinen und
verseuchtem Boden, im 20.Jahrhundert endet.