Gegen weitere Verschärfungen des Asylrechts
Die Antwort aus dem BMI reißt einen ja vom Stuhl! Kein Wort einer Antwort auf unsere Fragen, keine Stellungnahme zu unserer Situation oder wie der Minister dazu steht, sondern die Bekanntgabe der Adresse des Petitionsiausschusses des Bundestages, an den wir uns ja wenden könnten. Das ist schon starker Tobak, wenn das dann noch unter "Bürgerservice" firmiert.
Jeder, der das Geschäft kennt, weiß, dass ein Minister solche Briefe nicht zu Gesicht bekommt. Deshalb kann sich sein Haus auch die Floskel sparen, dass er den Brief sorgfältig gelesen haben soll. Was man aber von einer gut geleiteten Verwaltung erwarten kann ist, dass im Sinne des Minister zu Bürgerfragen inhaltlich Stellung genommen wird und Fragen geklärt werden. Hier tut die Verwaltung so, als sei sie im Grund überhaupt nicht zuständig und beweist damit, dass sie selbst den Brief nicht gelesen hat, sondern eine Bausteinantwort zum Abwimmeln abschickt. Soviel zur Praxis gegenüber den allfälligen theoretischen Sonntagsreden auch dieses Ministers in Richtung der Arbeit der Willkommensinitiativen, wenn er bzw. sein Haus es noch nicht einmal für wichtig erachten, einfache Fragen zu beantworten, für die sie unmittelbar zuständig sind.
Hier der Wortlaut der Antwort auf unser u.s. Brief:
"Sehr geehrter Herr Klemke, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 20. Juni 2016 an Herrn Bundesinnenminister Dr. de Maiziére, in dem Sie die Anerkennungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie Teile des Entwurfes Integrationsgesetz kritisieren, da sie den Schutzsuchenden keine Bleibe- und Integrationsperspektive bieten. Herr Minister erhält täglich so viele Zuschriften, dass es ihm nicht möglich ist, jedes persönlich zu beantworten. Daher hat er mich gebeten, Ihnen zu antworten. Sie können gewiss sein, dass Herr Minister Ihr Schreiben aufmerksam gelesen hat. Der Gedankenaustausch mit den Bürgern ist Orientierungshilfe in der politischen Meinungsbildung und im Entscheidungsprozess. Daher haben die Meinungsäußerungen und Bewertungen der Bürgerinnen und Bürger einen hohen Stellenwert in unserem Haus. Das Integrationsgesetz wurde zwischenzeitlich am 8. Juli 2016 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Ich möchte Sie auf Artikel 17 Grundgesetz-GG hinweisen. Danach hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Sie können von diesem Petitionsrecht gegenüber dem Deutschen Bundestag Gebrauch machen. Gerne übermittele ich Ihnen die Kontaktmöglichkeiten. https://epetitionen.bundestag.de/epet/kontakt.nc.html https://epetitionen.bundestag.de/ Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Stefanie Losem Bundesministerium des Innern - Bürgerservice - "
Brief des Willkommensteams an Bundesinnenminister Thomas de Maiziére
An den
Bundesminister des Innern
Herrn Thomas de Maiziére
Alt-Moabit 140
10557 Berlin Schorfheide, den 20. Juni 2016
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister!
Seit vielen Monaten betonen Sie, dass Geflüchtete sich integrieren sollen. Sie rufen die Bevölkerung dazu auf, dies zu unterstützen, woran unzählige Initiativen in allen Städten und Dörfern seit Jahr und Tag unermüdlich arbeiten.
Gleichzeitig verschärfen Sie die Praxis der Anerkennung von Kriegsflüchtlingen aus Syrien, obwohl sich die Lage dort nicht geändert hat, obwohl die Zahl der Neuankömmlinge dramatisch gesunken ist, obwohl die Zahl der nachkommenden Familienangehörigenstark unter den Voraussagen liegt und Sie (bzw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF) kooperieren mit dem Assad-Regime, dass mit der Ausstellung von Pässen seine Kriegskasse auffüllt.
Warum diese Veränderung der verkürzten Anerkennung (subsidiärer Schutz nur für 1 Jahr)durch das BAMF, die nicht mehr einem Schutz der geflüchteten Syrer gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention entspricht?
Wer hat diese Veränderung mit welchen Begründungen beschlossen und in Kraft gesetzt? Warum wollen Sie z.B. erwachsene Kinder und Eltern voneinander trennen, die bereits in Deutschland leben, nun einen unterschiedlichen Aufenthaltsstatus zuerkannt bekommen und erneut in ständiger Trennungsangst leben müssen?Warum bei Bürgerkriegsflüchtlingen jetzt wieder eine Einzelfallprüfung? SEHR viel mehr Arbeit in einer Situation, in der das BAMF immer noch hunderttausende unbearbeitete Asylanträge aus 2015 hat? Es gibt inzwischen viele Untätigkeitsklagen, weil es seit Monaten zu keiner Bearbeitung der Asylanträge kam. Mit der Vergabe des viel geringeren Schutzes (subsidiärer Schutz für 1 Jahr) verschlechtert sich der Status der Geflüchteten sehr: Kein Familiennachzug, Wohnsitzauflage und KEIN Anspruch mehr auf die Teilnahme am Integrationskurs!
Wir haben bereits eine schriftliche Mitteilung vom BAMF für einen syrischen Flüchtling aus Eberswalde vorzuliegen. Er hat im Mai seine subsidiäre Schutzanerkennung bekommen (bisher galt auch bei subsidiärem Schutz das Recht auf Teilnahme an einem Integrationskurs Vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1c AufenthG), dann hat er - wie für alle Anerkannte vorgeschrieben - den Antrag auf einen Integrationskurs gestellt. Schon am 2.6.16 kam der ablehnende Bescheid vom BAMF mit der Begründung: geringe Bleiberechtsperspektive, darum kein Integrationskurs! Das ist nun auch für weitere fünf aus Syrien Geflüchtete in unserem Dorf (sie hatten vor wenigen Wochen ihr Interview in Eisenhüttenstadt beim BAMF) zu erwarten: Ehefrauen, erwachsene Kinder, von denen die Väter vor vier Monaten die dreijährige Anerkennung nach der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen haben. Alle lernen seit sie in Groß Schönebeck mit viel Eifer dreimal in der Woche Deutsch bei ehrenamtlichen Mitgliedern unseres Willkommensteams. Wie absurd ist die neue Situation für die Flüchtlinge und auch für alle ehrenamtlich Engagierten? Was bedeutet jetzt "Integration"? Eine Anforderung, die an die Flüchtlinge bisher ständig gestellt wurde, wenn sie jetzt weder deutsch lernen dürfen noch andere Kenntnisse über Deutschland und das Leben in diesem Land erhalten, sondern herumsitzen müssen und einer ungewissen Zukunft entgegensehen? Was soll in diesem "Schutz-Jahr" für die Geflüchteten passieren: wieder nur warten? Wie ist das mit den Ankündigungen durch die Bundesregierung von wichtigen, guten und schnellen Vorbereitungen auch für den Arbeitsmarkt gemeint? Durch die Wohnsitzauflage beim subsidiären Schutz darf nun ein junger Syrer (30 J.) aus Groß Schönebeck auch nicht zu seiner alten Mutter (über 70 J.) nach Bayern ziehen, was er nach seiner Anerkennung schnell machen wollte, weil sie dringend seine Hilfe braucht. Alle anderen wollen ohnehin bei uns im Dorf (mit einem bundesweiten Wettbewerb des Bündnisses für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet) bleiben, weil sie hervorragend aufgenommen und integriert sind.Wir wenden uns auch entschieden gegen die im Entwurf des Integrationsgesetzes vorgesehene Änderung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Asylgesetz, die zu einer fundamentalen Beschneidung des Asylrechts führen könnte. Diese Regelung wurde nachträglich in den Entwurf aufgenommen und ist von der Bundesregierung bislang nicht öffentlich erwähnt worden:
Der Gesetzentwurf sieht bisher vor, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein Drittstaat (der nicht an die Bestimmungenn der Genfer Flüchtlingskonvention gebunden sein muss) bereit ist, die Antrag stellende Person wieder aufzunehmen. Damit könnten Menschen ohne inhaltliche Prüfung ihres Asylantrags in Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind und die auch nicht als „sichere Drittstaaten“ im Sinne des Grundgesetzes anerkannt sind, abgeschoben werden. Nach dem Entwurf soll auch die Anhörung zu der Frage, ob ein Asylantrag zulässig ist, zudem auf andere Behörden als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übertragen werden können – also etwa nach kurzer Schulung auch auf Bundes- oder Landespolizisten. Diese vorgesehenen Änderungen sollten dringend aus dem Entwurf des Integrationsgesetzes gestrichen werden.
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
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bewahren Sie als Verfassungsminister unser Asylrecht und setzen Sie die Bestimmungen Genfer Flüchtlingskonvention auch in Deutschland um! Kein anderes europäisches Land steht wie wir dazu aufgrund unserer Geschichte in einer historischen Verpflichtung!
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Sorgen Sie, gerade als christlicher Politiker, dafür, dass die Familien zusammenleben können und den gleichen rechtlichen Status haben!
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Geben Sie den Geflüchteten, die z.T. unglaubliche Leidensgeschichten haben, Ruhe, Sicherheit und eine Perspektive und schaffen Sie nicht immer neue Ängste und Hürden!
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Denken Sie bei Ihren notwendigen Anti-Terror-Maßnahmen daran, dass allein in den wenigen Monaten diesen Jahres schon mehr Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken sind, weil die EU durch ihre Abgrenzungspolitik das Geschäft der Schleuser überhaupt erst ermöglicht, als in ganz Europa jemals durch terroristische Anschläge ums Leben gekommen sind!
Mit freundlichen Grüßen
Rainer E. Klemke
Sprecher des Willkommensteams des Bürgervereins Groß Schönebeck/Schorfheide e.V.
Tel.:0152 34142946
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Pfarrerin i.R. Annette Flade
Leiterin des Willkommensteams