Flüchtlinge in Groß Schönebeck: Bundesinnenminister und Staatskanzlei loben Engagement des Willkommensteams
Großes Lob für die Arbeit der Mitgieder des Groß Schönebecker Willkommensteams und die Haltung im Ort stehen in den Antwortschreiben des Bundesinnenministers und der Staatskanzlei in Potsdam auf unseren Brandbrief (siehe weiter unten auf dieser Homepage) an Bundesinnenminister de Maiziére und Ministerpäsident Dr. Woidke, die am 8. Juli bzw. am 16. Juli 2015 eingetroffen sind. Lob für eine Haltung, die sich nachhaltig von dem unterscheidet, was man in der Berichterstattung in den Medien über andere Orte liest und hört. In der Sache selbst, dem Frust über die Drehtür-Arbeit der Helfer angesichts des ungesicherten Aufenthaltsstatus' der Flüchtlinge und deren ungewisse Zukunft verweisen Staatskanzlei wie Bundesinneministerium auf die alles andere als menschenfreundliche Rechtsraxis der Bundesrepublik und der EU mit der Regelung nach dem "Dublin-Abkommen", die die schutzsuchenden Flüchtlinge in die Ankunftsstaaten zurückschickt und damit das deutsche Asylrecht des Grundgesetzes aushöhlt. Um so größere Anerkennung gilt den Familienpaten und freiwilligen Helfern, die sich trotz dieser Rahmenbedingungen weiterhin in ihrer Freizeit für die bei uns aufgenommenen Familien mit mittlerweile 23 Kindern und Erwachsenen einsetzen. Und um so wichtiger ist es, die unverschuldet in Not geratenen Menschen weiterhin bei uns im Dorf nach Kräften zu unterstützen. Das setzen wir in Groß Schönebeck u.a. damit fort, dass wir unseren Flüchtlingsfamilien Gärten zur Verfügung stellen, wo sie trotz drohender Abschiebung nach dem Dublin-Abkommen nach Polen oder Ungarn Wurzeln schlagen lassen können. Spenden in Form von Gemüsepflanzen sind sehr willkommen!
Nach der Antwort unserer Landesregierung aus Potsdam steht nun noch die Antwort auf unseren Brief von der Bundesbeauftragten für Migration und Flüchtlinge aus, die hier unmittelbar Verantwortung trägt und die nach aktuellem Pressebericht angesichts des Tränenzwischenfallsmit enem Flüchtlingskind bei einem Besuch der Kanzlerin für ein Bleiberecht von sozial integrierten Flüchtlingen plädierte.
Und hier finden Sie den Bericht der Märkischen Oderzeitung dazu:
http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1408370
Die neue Sozialbetreuern, Frau Jagelle, die vom Landkreis finanziert wird, unterstützt die Arbeit des Willkommensteams seit dem 14. Juli mit einer regelmäßigen Sprechstunde im Bürgerhaus (dienstags 10 bis 11 Uhr) und wird sich auf der nächsten Plenarsitzung des Willkommenteams am 4. August 2015 um 19 Uhr im Gemeindehaus offiziell mit ihrer Arbeit und ihren Hilfsangeboten vorstellen.
Bundesministerium des Innem
MinDirig Michael Tetzlaff
Unterabteilungsleiter M I
HAUSANSCHRIFT
Alt-Moabit 140
10557 Berlin
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www.bmi.bund.de
Aktenzeichen: M11- 12007/8#38
Berlin, 3. Juli 2015
Sehr geehrter Herr Klemke, sehr geehrte Frau Pfarrerin Flade,
Bundesminister Dr. de Maiziere hat mich gebeten, Ihnen für Ihr Schreiben vom 6. Juni d.J. zu danken und Ihnen zu antworten.
Mit Ihrem Schreiben schildern Sie in eindrücklicher Weise die vielfältige Arbeit des Willkommensteams des Bürgervereins Groß Schönebeck / Schorfheide und setzen sich dafür ein, dass Asylbewerber, die dezentral in Wohnungen untergebracht wurden, unabhängig vom weiteren Fortgang des Asylverfahrens die Chance erhalten, sich auf Dauer in die Dorfgemeinschaft zu integrieren.
Lassen Sie mich Ihnen zunächst meine Anerkennung dafür zum Ausdruck bringen, welchen materiellen und persönlichen Einsatz der Bürgerverein und das Willkommensteam für die Betreuung der in Ihrer Gemeinde untergebrachten Asylbewerber leistet. Ohne dieses ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern und die Hilfe von Kirchen und örtlichen Initiativen wäre die Aufnahme von so vielen Schutzsuchenden in unserem Land nicht denkbar.
Angesichts der vielen von Ihnen und den Mitgliedern des Willkommensteams erbrachten Arbeit und Mühe für die betreuten Kinder, Frauen und Männer habe ich persönlich Verständnis für Ihre Enttäuschung und Frustration, wenn deren Aufenthalt etwa durch Überstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens endet. Es ist nachvollziehbar, dass Sie sich dann ein Stück weit um den Sinn und die Früchte Ihrer Arbeit gebracht fühlen und danach fragen, wie Sie andere Helferinnen und Helfer für eine Kultur des Willkommens gewinnen und motivieren können. Zu den konkreten, von Ihnen benannten Einzelfällen kann ich hier nicht Stellung nehmen, was Sie in Ihrem Schreiben aber auch nicht erwarten. Ich möchte jedoch bei Ihnen um Verständnis dafür werben, dass es im oder nach einem Asylverfahren auch zu einer Beendigung des Aufenthalts kommen kann. Das ist z.B. der Fall wenn die Zuständigkeit für die Durchführung des Verfahrens bei einem anderen Mitgliedstaat der EU liegt oder keine Gründe für eine Schutzgewährung bestehen.
Das Asyl- und Flüchtlingsrecht ist heute in der EU einheitlich geregelt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, nach einheitlichen Standards und Verfahrensregeln zu handeln. Dazu gehören auch die Bestimmungen des sog. Dublin-Verfahrens, die festlegen, welcher Mitgliedstaat für die Durchführung des Verfahrens verantwortlichl ist.Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass uns unsere Grundwerte und unsere Geschichte dazu verpflichten, schutzbedürftige Flüchtlinge vorurteilsfrei aufzunehmen und ihnen dabei zu helfen, eine Lebensperspektive für sich und ihre Familien entwickeln zu können. Unser Land wird dieser Verpflichtung in der aktuell besonders herausfordernden Flüchtlingssituation in vorbildlicher Weise gerecht. Hierzu leisten gerade Sie und das Willkommensteam einen wichtigen Beitrag. Deutschland gehört zu den Ländern weltweit, die in den letzten Jahren sehr viele Fluchttinqe aufgenommen haben. In diesem Jahr rechnen wir damit, dass 400.000 Menschen erstmals einen Asylantrag bei uns stellen werden.Diese im internationalen Vergleich beispielhafte Aufnahme- und Hilfsbereitschaft unseres Landes müssen wir bewahren. Dazu gehört es auch, dafür zu sorgen, dass Menschen, die unseres Schutzes nicht bedürfen, das Land wieder verlassen. Dies ist gerade für Deutschland ein besonders wichtiger Aspekt. Aktuell stammt etwa die Hälfte aller Asylsuchenden aus den Westbalkanstaaten, wo vor allem wirtschafliche Gründe für den Asylantrag in Deutschland maßgeblich sind. Wirtschaftlicher Mangel kann jedoch kein Asylgrund sein, vielmehr müssen wir denen helfen, die sich in einer existenziellen Notlage befinden. Der Rückgang der Bevölkerung in manchen Regionen kann kein Grund dafür sein, die Voraussetzungen für die Schutzgewährung aufzugeben. Andernfalls wird das Asyl- und Flüchtlingsrecht bedeutungslos und die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit unseres Landes eindeutig überfordert. Der Bund bemüht sich, die Asylentscheidungen schnell zu treffen. Dazu haben Bund und Länder eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die zu ~iner Beschleunigung der Asylentscheidungen und zu einer besseren Eingliederung fon Schutzsuchenden mit realistischer Bleibeperspektive führen werden. Der Bund wird den Ländern in diesem Jahr außerdem weitere Mittel zur Unterbringung und Versprgung der Flüchtlinge zur Verfügung stellen und sich ab 2016 dauerhaft an den gesa\11tstaatlichen Kosten der Flüchtlingsaufnahme beteiligen. In der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 11. Juni 2015 haben sich Bund und Länder darauf verständigt, dass die pauschale Hilfe für Länder und Kommunen aus dem Jahr 2016 in Höhe von 500 Mio. Euro auf das Jahr 2015 vorgezogen wird, so dass ihnen im laufenden Jahr insgesamt eine Milliarde Euro als Ausgleich von Mehrbelastungen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung hat ferner zugesagt, dass sich der Bund ab 2016 strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten, die in Abhängigkeit von der Zahl der Aufnahme der Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen, beteiligen wird.
In mehreren Ländern, auch in Brandenburg, werden die Asylsuchenden aufgrund der noch fehlenden Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu schnell in die Kommunen verteilt. Dies führt dazu, dass die Antragsstellung und -bearbeitung erheblich erschwert wird, was im Ergebnis auch zu dem von Ihnen beklagten "Drehtüreffekt" führen kann. Die Länder müssen dafür Sorge tragen, dass genügend Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen vorhanden sind, damit nach Möglichkeit nur Schutzsuchende mit einer realistischen Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden.
Abschließend möchte ich Sie bitten, sich in Ihrer Arbeit nicht entmutigen zu lassen. Ohne bürgerschaftlich ehrenamtliche Hilfe auch für diejenigen, die Deutschland wieder verlassen müssen, werden wir unseren hohen Aufnahmestandard nicht erhalten können.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
Tetzlaff
Unterabteilungsleiter im BMI
...und hier das Antwortschreiben der Staatskanzlei Brandenburg:
Sehr geehrte Frau Pfarrerin Flade,
sehr geehrter Herr Klemke,
vielen Dank für Ihr Schreiben an Ministerpräsident Dr. Woidke vom 6. Juni 2015.
Er hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Das herausragende Engagement Ihres Willkommensteams für die sich Ihnen anvertrauenden
Familien hat mich tief beeindruckt. Dazu gehört auch die große Freude über das durch Ihre Arbeit für die Familien entstandene neue Miteinander in Groß Schönebeck. Es ist bewundernswert, dass Sie ungeachtet der vielen Unwägbarkeiten und sicherlich auch Rückschläge Ihr Anliegen, die Asyl suchenden
Menschen zu begleiten, konsequent weiter verfolgen. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen und allen Mitgliedern Ihrer Initiative dafür meinen aufrichtigen Dank ausspreche.
Ihr Engagement ist beileibe keine Selbstverständlichkeit und wird in unserer Gesellschaft auch weiterhin dringend gebraucht! Ihr Schreiben hat mich aber auch sehr bewegt, weil Sie mit Ihrem Stichwort "Drehtür-
Betreuung" auf die menschliche Dimension staatlichen Handeins hinweisen.
Ihren Zeilen entnehme ich auch das Gefühl von Enttäuschung und Unverständnis über den von Ihnen geschilderten angekündigten Vollzug von ausländerrechtlichen Vorschriften, der scheinbar im Widerspruch zu eben jener menschlichen Dimension zu stehen scheint.
Wie Sie wissen, findet eine Vielzahl von Asylsuchenden den Weg nach Deutschland über sichere EU-Staaten, in denen sie zuvor bereits einen Asylantrag gestellt haben. Nach geltendem EU-Recht sind die Staaten des Erstantrags dann für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und die Asylbewerber grundsätzlich
verpflichtet, dorthin zurückzukehren (Dublin-Verfahren). Damit wird sichergestellt, dass jeder Asylantrag nur von einem Mitgliedstaat inhaltlich geprüft wird. Stellt ein Staat fest, dass ein Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat zu bearbeiten ist, stellt er an diesen ein entsprechendes Übernahmeersuchen. Nach dessen Zustimmung erhält der Antragsteller hierüber Mitteilung in Form eines Bescheides.
Für die Prüfung der Asylanträge ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig, also eine Behörde des Bundes, auf welche die Brandenburgische Landesregierung keinen unmittelbaren Einfluss hat. Gegenwärtig gelingt es dem BAMF aufgrund der dramatisch gestiegenen Flüchtlingszahlen und begrenzter
Bearbeitungskapazitäten eher selten, die Verfahren von Asylbewerbern, deren Asylersuchen voraussichtlich erfolglos verlaufen wird, zügig abzuschließen. Auch dauern gerichtliche Verfahren, die von abgelehnten Asylsuchenden angestrengt werden, eine gewisse Zeit. Derzeit werden deshalb auch Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive auf kommunale Einrichtungen verteilt. Das Land beabsichtigt, die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtung und ihrer AußensteIlen bis Ende 2016 auf fast 4.000 Plätze auszubauen. Ziel ist es, den Aufenthalt und die Rückführung Asylsuchender ohne Bleibeperspektive binnen drei Monaten direkt aus
der Erstunterbringung zu gewährleisten. Auf diese Weise würden sog. "Dublin-Fälle" bis zur Ausreise in den Gemeinschaftsunterkünften verbleiben und nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. Dies dient nicht zuletzt der besseren Integration jener Menschen, die aus verfassungsrechtlich anerkannten Gründen
Schutz suchen und voraussichtlich länger bei uns leben. Zudem arbeitet die Landesregierung in enger Abstimmung mit Kommunen, Landkreisen und engagierten Bürgern laufend an der weiteren Verbesserung der gegenwärtigen Situation der Flüchtlinge. Dazu werden bisherige Erfahrungen ausgewertet und dort, wo Handlungsbedarf sichtbar wird, nachgesteuert.
Wenngleich sich die menschliche Komponente Ihrer Forderung nach einem Bleiberecht für einmal aufgenommene Menschen nachvollziehen lässt, werden Sie verstehen, dass dies rechtlich und politisch kaum zu realisieren ist. Dem stehen sowohl zwingende verfassungsrechtliche Gründe als auch die zwischen den Staaten der Europäischen Union vereinbarten Regelungen entgegen. Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass sich das Handeln staatlicher Stellen ausnahmslos an Recht und Gesetz zu orientieren hat. Das gilt nicht nur für die in Rede stehenden kommunalen Aufgabenträger, das gilt auch für das Land und den Ministerpräsidenten.
Sehr geehrte Frau Pfarrerin Flade,
sehr geehrter Herr Klemke,
ich wünsche mir und vor allem den Menschen, die noch zu Ihnen nach Groß Schönebeck kommen, dass Sie Ihre Arbeit für Flüchtlinge und Asylsuchende fortführen. Bitte bleiben Sie Teil der vielen Menschen im Land, die sieh für andere einsetzen und so dazu beitragen, Brandenburg lebenswert zu erhalten!
Am 14. Juli 2015 findet in der Staatskanzlei von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr eine Veranstaltung für ehrenamtliche Initiativen, die sich für Asylsuchende und Flüchtlinge engagieren, statt. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Anwesenheit realisieren könnten, da Ihre Erfahrungen sehr wertvoll für uns sind, um Bestehendes weiterzuentwickeln und zu verbessern. Ihr Einverständnis voraussetzend habe ich veranlasst, dass Sie eine Einladung erhalten werden.
Abschließend danke ich Ihnen herzlich für das durch Ihre Kontaktaufnahme mit dem Ministerpräsidenten gezeigte Vertrauen. Ihre Hinweise wurden sorgfältig zur Kenntnis genommen und fließen in die politische Meinungs- und Willensbildung der Landesregierung ein.
Mit freudlichen Grüßen
Im Auftrag
Jürgen Vandersee
Abteilungsleiter Regierungsplanung