Reichsprogromnacht in Groß Schönebeck

Geschrieben von Rainer Klemke am . Veröffentlicht in Geschichte

Wenn der Kaufmann Friedmann Leiser in den Friseursalon Feld kam (heute Sparkasse), fanden sich auch immer weitere Männer aus dem Ort ein, wusste man doch, dass er immer gern eine Zigarre spendierte, die er in einem Etui im Gehrock trug. Und Leiser kam täglich, da man damals regelmäßig entweder selbst zum Friseur zum Rasieren ging oder von diesem zu Hause rasiert wurde, da er routinemäßig von Hof zu Hof ging. Bei diesen Friseurbesuchen hörte Leiser auch, was die Kunden so brauchten und besorgte es dann – sei es die Eisenreifen für die zahlreichen Böttcher am Ort oder die Rasierseife für den Friseur. So brauchten die nicht weite Wege –oft zu Fuß – in andere Orte zurücklegen, sondern wurden von ihm teilweise sogar mit dem Fahrrad beliefert.

Bei seinen Kunden war er außerordentlich beliebt, weil man bei ihm anschreiben konnte und er auch immer für die Kinder eine Kleinigkeit bereithielt. Sein Kaufhaus, das vor allem Baumaterialien, aber auch Kleidung und Kolonialwaren anbot, war mit Fässern und Kästen vollgestellt, von der Decke hingen Werkzeuge und andere Geräte – aber es gab alles, was die Handwerker und Familien brauchten. Und wenn es nicht vorrätig war - Leiser schaffte alles heran.

kaufhaus leiser
Kaufhaus Leiser in der heutigen Thälmannstraße 46

Am 9. November 1939, der Reichspogromnacht, in der überall im Land jüdische Geschäfte und Institutionen von den Nazis gestürmt wurden, wurde auch Leisers Kaufhaus von der örtlichen SA, die sich aus Zerpenschleuse Verstärkung geholt hatte, gestürmt und alle Fenster und die Einrichtung zerschlagen. Außerdem wurde das Buch mit den angeschriebenen Schulden gestohlen. Leiser konnte sich mit seiner Familie in den Gasthof der Familie Liepner flüchten und entkam so zunächst. Danach versuchte er, sein Geschäft fortzuführen, allerdings wurde jeder, der bei ihm kaufte von der SA aufgeschrieben, so auch der Bruder von Fritz Ast, der sogar in Uniform weiterhin bei Leiser kaufte. Kurt Peter berichtet, dass sein Klassenkamerad Martin Köhn sich seinem Lehrer gegenüber verwundert zeigte, dass einerseits für einen so genannten „Eintopfsonntag“ zugunsten armer Leute Geld gesammelt wurde, andererseits offenbar mit höchstem Segen bei Leisers alles kaputt geschlagen wurde. Eine befriedigenden Antwort erhielten die Schüler nicht.

Friedmann Leiser wurde schließlich am 4.Januar 1939 vom Landratsamt Niederbarnim der weitere Betrieb seines Geschäftes untersagt. Der mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnete deutsche Soldat des 1. Weltkrieges mochte auch dann noch nicht, nachdem ihm niemand geholfen hatte, sein Dorf und sein Land verlassen und wurde später mit seiner Frau in einem Konzentrationslage umgebracht.

Friedemann Leiser und seine Frau Elise wurden zusammen mit Leisers beiden Schwestern Alma und Flora am 14. April 1942 ins Warschauer Ghetto transportiert und alle dort ermordet. Seine Schwester Jenny Mandelkern, die ursprünglich in Berlin wohnten, wurde mit ihrem Mann in GroßSchönebeck bei der Familie Hübner versteckt. Sie konnten daurch die NS-Zeit überleben und wohnten schließlich in Israel.

Die Gemeinde Schorfheide, Ortsbeirat und Bürgerverein gedachten der Familie Leiser in einer Veranstaltung am 30. März 2015 mit der Verlegung von vier Stolpersteinen durch den Künstler Günther Demnig vor dem ehemaligen Kaufhaus Leiser in der Ernst-Thälmann-Str. 46, die nun als bleibende Erinnerung an diese Groß Schönebecker NS-Opfer dauerhaft erinnern.