Ortsteil Schluft

Die Geschichte von Schluft VII

Geschrieben von Günter Vogler am . Veröffentlicht in Ortsteil Schluft

Die Dorfschulzen-viel Plicht und wenig Eh‘r

 

Wann der erste Dorfschulze sein Amt angetreten hat, ist nicht genau

festzustellen, bekannt ist nur, dass der Schneider Stahlberg, der auch

 

als Lehrer tätig war, dieses Amt ehrenamtlich bis 1811 als Erster

ausübte. 1812 wählen sie aus ihren Reihen den Einwohner Niekandt

zum Dorfschulzen von Schluft. Er übt das Schulzenamt bis zum J ah-

re 1854 aus und will dieses, mit 74 Jahren, an seinen Sohn Karl Nie-

kandt übergeben. Der will es nur noch ausüben, wenn ihm ein

angemessenes Gehalt gezahlt wird, und verlangt 20 Taler jährlich.

Doch werden ihm nur 12 Taler geboten und dieser Betrag als aus-

reichend angesehen. Selbst Uhl, dem das Schulzenamt angeboten

wird, lehnt ab und will lieber seine Ruhe haben.

Doch das ist nicht immer so, als das "Vaterland" rief, stellte er sich

der Pflicht. Es war die Zeit der Befreiungskriege und die Völker-

schlacht bei Leipzig war noch nicht geschlagen.

Durch Erlasse vom 21.4. und 24.07.1813 wurde eine allgemeine

Volksbewaffnung und die Errichtung des Landsturms angeordnet. 6

 

"Der Groß Schönebecker Landsturmbezirk stand unter dem Land-

jäger Wartenberg. Dieser Bezirk schloss auch Uhlenhof und Schluft

mit ein. Wer als Landsturmmann aus Schluft teilnahm, ist nicht be-

kannt, aber die Kavallerie mit 46 Pferden wurde durch den Amtmann

Uhl, welcher zum Rittmeister avancierte, befehligt. "

 

Die Hauptaufgabe bestand im Patrouillieren, um Deserteure und

Marodeure, die als Gesindel auf den Landstraßen herumlungerten,

aufzugreifen, aber auch darin, dem vordringenden Feind" außer

Atem zu halten. 19 Mehrmals hatte der Landsturm Kriegsgefangene

zu eskortieren, so u.a., am 02.09.1813 489 Mann von Groß Schöne-

beck nach loachimsthal. "

 

1854 leben 26 Familien auf 21 Büdnerstellen in Schluft, also rund

280 Einwohner und es heißt: "der größte Theil der Einsassen be-

findet sich in dürftigen Verhältnissen. " 20

Vermutlich erst mit den Erbverschreibungen setzte die heute noch zu

erkennende Bebauung ein. Die Nachkommen der ehemaligen Kolo-

nisten arbeiteten nun als Tagelöhner in der Land- oder als

Waldarbeiter in der Forstwirtschaft, um ihre Familien zu ernähren.

Zu Wohlstand und Reichtum sind sie jedoch nicht gekommen.

Musste jemand zum Militärdienst abgestellt, Steuern und Abgaben

ingesammelt, Notleidende oder Obdachlose versorgt werden, immer

musste der Dorfschulze zur Stelle sein und versuchen, es jedem

Recht zu machen, eine Kunst, die auch heute noch nicht erlernbar ist.

 

Ein besonderer Höhepunkt in Pfarrer

Steegers Amtszeit war sicherlich die

Einweihung der Kirche in Liebenthal,

die bei herrlichem Herbstwetter in

Gegenwart der allerhöchsten Herr-

schaften am 10.10.1897 eingeweiht

werden konnte.

"Seine Majestät der Kaiser im grünen

Jagdanzug, die Kaiserin Auguste-

Viktoria im grünen Mantel über dem

zobelbesetzten Jackett, kamen mit

dem bekannten Schimmelgespann im

Jagdwagen von Hubertusstock. Das

Dorfprangte in großartigen Fest-

schmuck.

sich so schnell nicht, außer das eine Holzindustrie entstand und sich

das Holz verarbeitende Gewerbe prächtig entwickelte.

"Dagegen findet sich nun eine ziemliche Anzahl von Sommergästen

in der Schulferienzeit ein, die manchen Groschen hier lassen. Wenn

der Ort auch weder durch Wassersport noch Naturschönheiten an-

ziehend wirkt, hat er doch, rings von duftigen Kiefernwäldern um-

geben, eine gesunde Lage. Epidemien kommenfast nicht vor.

In größerer Zahl noch suchen Berliner Sommerfrischler seit etwa 15

Jahren das mitten im Walde gelegene Schluft auf, dass ihnen eine

ozonreiche Luft, Waldfrieden, herrliche Spaziergänge nach dem

Tremmersee und dem Glasows bietet. Die fast zahm durch den Forst

streifenden Rot- und Damhirsche vervollständigen das Idyll. Darum

haben auch wohlhabende Großstädter, besonders Niekandt,

Schwarz, Huemke, die Oelschlägers, sich hier Villen gebaut undfüh-

len sich wohl in der Einsamkeit der märkischen Heide. " 22

Weiter heißt es dort:

"Die vielen Fremden bringen in dieWalddörfer Altenhofund Eich-

horst Gold aber auch Unkirchlichkeit und lockere Sitten. "

Ich kann ihn heute nicht mehr befragen, warum er hiervon Schluft

ausklammert, oder hat er es einfach vergessen, denn in unserer Zeit

wäre es bestimmt ehrenrührig, wenn wir allzu moralisch wären. So

beklagt er den Mangel an den traditionellen ländlichen Festen und

Freuden findet Kritik "an den Übermaß an Vergnügungen der Dorf-

gemeinden im Bannkreise der Berliner Stinkluft. "

Sicher stand er mit dieser Meinung nicht allein, aber repräsentativ

war sie nicht. Die altehrwürdigen Dorffeste hatten sich zu Festen mit

Karussell und Jahrmarkttreiben, zu Festen für alt und jung aus nah

und fern gewandelt und allen voran zogen daraus die Gastwirte ihren

Vorteil. Auch sonst gab es keinen Mangel an Vergnügungen. Im

Winter gab es die Vereinsbälle der Freiwilligen Feuerwehr, der

Schützenvereine usw. und das zu unterschiedlichen Terminen in den

umliegenden Dörfern. Heute kaum vorstellbar, aber es war ganz

 

Kein Haus war ohne Laubgewinde, Triumphbogen reihte sich an

Triumphbogen, hunderte von Fahnenfiatterten im Winde, vor der

Kirche war eine Ehrenpforte errichtet und der Platz durch Fichten

und Wachholdergruppenfür den Empfang der hohen Gäste bereit. In

Stärke von 450 Mannschaften vor dem Gotteshause die Kriegerver-

eine der Nachbarschaften mit 13 Fahnen, ferner die Schuljugend und

 

die üblichen weiß gekleideten Jungfrauen. Dazu Tausende von Zu-

schauern aus allen umliegenden Orten herbeigeeilt, um das geliebte

Kaiserpaar zu sehen." 21

 

Wir können davon ausgehen, dass die Schlufter auch in großer Zahl

unwesend waren. Einen Kriegerverein wird es sicher schon gegeben

haben, eine Fahnenweihe gab es auf jeden Fall am 10. Juli 1904 in

Schluft,

 

Aber nicht nur sakrale Bauten wurden geweiht und eingeweiht, auch

ein lang gehegter Wunsch der Bewohner Groß Schönebecks und an-

grenzender Orte ging in Erfüllung.

 

Am 20. 05.1902 wurde nach reichlich 1 jähriger Bauzeit der erste

Zug in Groß Schönebeck mit Festschmuck, lauten Jubel und hoch-

tönenden Reden begrüßt. Das sollte vor allem für die Landwirtschaft,

durch den nun günstigen Transport ihrer Erzeugnisse nach Berlin

Vorteile bringen. Die Neuansiedlung von Fabriken dagegen erfüllte

 

normal, wenn man nach Liebenthal oder Groß Schönebeck zu Fuß

ging, später dann auch mit dem Fahrrad fuhr.

Pfarrer Steeger berichtet auch recht drastisch von der sich aus-

breitenden Sozialdemokratie und die Versammlungen, die dazu be-

sonders in Liebenthal abgehalten wurden. Er konnte den Geist der

Zeit nicht verstehen, aber ihn auch nicht verhindern. Es wird noch

darüber zu berichten sein, dass auch Schluft von manchem

politischen Ereignis nicht soweit entfernt war, dieselben sich auch

hier wieder spiegelten. "Nur Schluft ließ sich nicht anstecken"

resümierte er weiter, aber er sollte, wie die Entwicklung zeigen wird,

nicht recht behalten. 1918 bildete sich hier wie vielerorts ein

Arbeiterrat und solidarisierte sich mit sozialistischen Forderungen.

und auch alle späteren gesellschaftlichen Entwicklungen haben vor

Schluft und seinen Bewohnern nicht haltgemacht.

Wie überall in der "großen" Politik hat es auch in Schluft Menschen

gegeben, die für das jeweilige System gedient und sich auch an-

gedient haben. Wer dabei recht oder unrecht getan hat, ist dabei nicht

immer die korrekte Frage, denn diese wird ja geflissentlich durch die

Sieger beantwortet. Wichtiger erscheint mir die Frage, wer hat dabei

im menschlichen Sinne Schuld auf sich geladen.

Auch heute erleben wir in den Rechtsstaat BRD eine nicht enden

wollende Siegermentalität, die auch vor Schluft nicht haltmachte und

macht, ohne dass es den Einzelnen immer spürbar und bewusst

wurde. Da und dort wird dieses Thema noch berührt werden und ich

möchte hinzufügen, dass es mir dabei durchaus nicht um die viel

gerühmte oder auch geschmähte Nostalgie geht.

Der letzte Bürgermeister von Schluft, bevor es Ortsteil von Groß

chönebeck bzw. eingemeindet wurde, war übrigens eine Bürger-

meisterin. Frau Kieke, eine junge und selbstbewusste Frau übte

dieses Amt bis 1973 aus und hatte mehrmals in der Woche Sprech-

zeiten. Im Rahmen der damaligen Möglichkeiten eine für heutige

Zeiten kaum noch vorstellbare Bürgernähe. Das Gemeindebüro des

 

Rates der Gemeinde Schluft befand sich im Gemeindehaus, Ahorn-

allee 1, was 2003 die Familie Fiebig erwarb.

Dort wohnte bis 2008, hochbetagt, Frau Ilse Brilka, die als Ge-

meindedienerin über Jahre und auch

noch nach der Eingemeindung von

Schluft im Ort unterwegs war, Steuern

kassierte, Informationen überbrachte

und der direkte Kontakt zu den Be-

wohnern war. Jetzt lebt sie in einem

nahen Altersheim.

 

Die Namen der Dorfschulzen sind weitestgehend bekannt, auch wenn

sich ihr Titel mehrfach änderte, was sich ja auch heute, man könnte

direkt sagen, bewundern lässt. Eine Wahlperiode Ortsbürgermeister

lind ab 2008 Orts vorsteher. Aber damit sind die Möglichkeiten noch

flicht erschöpft, was aus der folgenden Auflistung zu ersehen ist.

IJm 1900 waren Ortsvorsteher in Schluft Stritte und Jeck, nach deren

Tode Strittes Sohn bis Oktober 1919. Ihm folgt wiederum ein Jeck

als Gemeindevorsteher. Doch hier wird es noch interessanter. Am

 

9.11.1918 ist im Sitzungsprotokoll der Gemeindevertretung unter

Anwesenheit, ein Arbeiterrat angeführt und folgende Namen ge-

nannt: "Jeck, Rosenberg, Bohm und Ruth Wendland." Letztere

unterschrieb auch als Arbeiterrat das Protokoll mit. In genau 3 Be-

ratungen des Gemeinderates finden wir unter Anwesenheit die Ein-

tragung der Mitglieder des Arbeiterrates, ohne dass dazu in den

Protokollen eine inhaltliche Erwähnung vorkommt.

 

Es ist überhaupt eine Zeit mit rasanten Entwicklungen auf allen Ge-

hieten, die auch an Schluft nicht vorbeigeht.

Lesen wir hierzu in der Heimatzeitung von 1926.

 

"Doch nicht nur der Erschließung des landschaftlich abwechslungs-

reichen Gebiets mit seinem wogenden Kornfeldern, den Nadel-und

Laubwäldern, den Heideflächen hinter Mühlenbeck und den Seen,

[ur den Ausflüglerverkehr dient die Bahn - führt sie doch auch all-

jährlich fröhliche Jungwanderscharen in die Jugendheime des

Kreises Niederbarnim-, sondern vor allem bringt sie alljährlich

immer neue Kolonisten in die Ortschaften, die wohl meist

wendischen Ursprungs sind. Gesunde und einladende Wohnhäuser

sind gerade im letzten Jahrzehnt dort in großer Zahl ~ntstanden.

Namentlich an den Sonnabenden und am Wochen beginn ist der Ver-

kehr sehr stark, gilt es doch dann die Familienväter, die in der

Woche in der Großstadt arbeiten, zu ihrer Familie und wieder

zurückzubringen. Doch auch ganze Familienfahren mit den

Wochenendzügen zu ihrem Stückehen Land hinaus, bis auch sie eines

Tages den Grundstein zu einem, mehr oder weniger großen An-

 

Wie war, wie war und es sollten sich bis heute solche Etappen wie-

derholen.

 

Es begann praktisch die Zeit der Naherholung. Berliner, "Sommer-

frischler", wie man die Sommer- und Wochenend gäste damals nann-

te, fanden Gastlichkeit in Schluft, auch in der Gasstätte und die junge

"Wandervogelbewegung" erschloss sich die Schorfheide.

 

Schluft entwickelt sich und es ward Licht.

 

Am 24.11.1920 beschließt die Gemeindevertretung, das Gemeinde-

haus und 4 Flammen Straßenbeleuchtung anzuschließen zu lassen.

Zu diesem Zweck verhandelt man mit der M.E.A. (Märkische Ener-

gie Aktiengesellschaft)

 

1923 ist es dann der Gemeindevorsteher Huernke, der im gleichem

Jahr, vorerst i. V. an Grassow übergibt, der dann ab November 1924

bis 27.06 1938 das Amt ausübte. 1934 wird er in den Protokollen als

Gemeindeschulze genant und so geht es munter weiter. 1935 heißt es

dann "Leiter der Gemeinde Bürgermeister Grassow", der dann am

05.04.1939 von Tönnies abgelöst wird. I

 

An dieser Sitzung nimmt auch der Kreisleiter der N.S.D.A.P.

Hermann, wie in der Folgezeit mehrmals, teil. In der Anwesenheit

der Sitzungen wird er dann auch immer an erster Stelle geführt.

Unter seiner Leitung wird dann in der Gemeindevertretersitzung vom

09.05.1939 als einzigen Tagesordnungspunkt über den Ausschluss

der "Juden von den Nutzungen am Gemeindevermögen und vom

Gemeindegliederklassenvermögen" beraten und Beschluss gefasst. 24

Mir ist nicht bekannt geworden, dass es zu dieser Zeit jüdische

Bürger in Schluft gab, aber sicherlich musste man hier Weisungen

folgen und in Vorleistung gehen.

 

1941/42 ist als kommissarischer Bürgermeister ein Herr Pankow

genannt, der dann an Wilhelm Repkow i. V. übergibt und am 18.11.1944

die letzte Sitzung vor Kriegsende leitet. Erstaunlicherweise

befasst sich diese Beratung der Gemeindevertreter mit der Haushalts-

satzung und den Haushaltsplan 1944, der in der Ausgabe auf 8637

RM festgestellt und "unverändert gebilligt wurde." Unter Ver-

schiedenes geht es noch um Arbeiten auf den Friedhof und die Be-

seitigung von Straßenbäumen.

 

Mit der gleichen Unaufgeregtheit nimmt man unter der Leitung des

Ortsältesten Alfred Tönnis am 13.02.1946 wieder die Debatte zum

Haushaltsplan auf und beschließ den Ausgabenetat für das erste

Quartal von 2800 RM. Und auch Bäume müssen wieder gefällt wer-

den, diesmal auf den Friedhof.

 

Ab 25.03.1946 ist dann der aus Küstrin stammende Richard Kinzel

bis Juli 1950 Bürgermeister und er soll in dieser schwierigen Zeit

seine Sache gut gemacht haben.

 

Aus Protokollen und Schriftverkehr habe ich ohne die Zeiten genau

bestimmen zu können, doch eine beachtliche Zahl von Bürger-

 

meistern ausgemacht, die ich hier in zeitlicher Reihenfolge und ohne

Anspruch auf Vollständigkeit anführe.

1951 Rudolf Henning, 1952 Krebs, 1953 Ernst Villain, 1956 Konrad

Hinz, 1961-1962 Herr Willsch, 1963-1964 Ulitzke, Frau Lenski,

1965 Herr Paczyna 1968 und Frau Kieke.

Nun noch ein paar Zahlen zu Bevölkerungsentwicklung, die zu

unterschiedlichen Zwecken erfasst und deshalb auch nur so wieder

gegeben werden können.

In einem mit heute vergleichbaren Branchenfernsprechbuch finden

wir unter:

"Eintragung in das Alphabetische Verzeichnis von sämtlichen

Industriefirmen, Handels- und Gewerbetreibenden, behördlichen

Einrichtungen sowie größeren Gütern der Provinz Brandenburg mit

Regierungsbezirk Grenzmark, Posen- Westpreußen " den Eintrag:

Schluft (P. Groß SchönebecklMark)

Einwohner: 231, Amtsgericht Liebenwalde

Fernsprech - Amt: Groß Schönebeck

Bürgermeister: Graßow

Deutsche Arbeitsfront: Karl Brüsch

Ortsbauernführer: Grassow

Bietz; Wilhelm Brunnenbauer

Repkow, Wilhelm Gastwirt, Telefon öffentlich 96

(schon 1919 befand sich die Post- und Telefonhilfsstelle dort)

Tönnis, Hermann Kolonialwaren

Vogt, Klara Kolonialwaren

Wendland, Richard Bauunternehmer.

 

Für die Jahre 1933 - 1937 sind das die amtlichen Einwohnerzahlen

laut Volkszählung, die jeweils am 10.10. der angeführten Jahre

durchgeführt wurden. 1933 - 233,1934 - 247,1935 - 231, 1936-

188, 1937 - 186.

 

In dieser Zeit gehörte Schluft als eigenständige Gemeinde mit Bür-

germeister Grassow zum Amtsbezirk Groß Schönebeck Forst; Sitz in

Groß Schönebeck; Amtsvorsteher Dr. Kohl. Weiter gehörten dazu

der Gutsbezirk Schorfheide, Anteil Kreis Niederbarnim, wie es

offiziell im Verwaltungsbericht des Kreises vom Oktober 1938 nachzulsen ist.

 

Um  1849 nennt Steeger für Schluft und Uhlenhof gemeinsam 200

liinwchner und 42 Schulkinder. Eine weitere Zählung 1890 ergab für

Schluft mit Uhlenhof 134 Einwohner. Der Rückgang war vor allem

durch das Eingehen des Gutes Uhlenhof bedingt, aber auch ins-

gesamt ging die Einwohnerzahl in den Gemeinden der Parochie

zurück,

Es ist zu hoffen, dass der erreichte Tiefstand von 2008 zumindest

gehalten werden kann, denn ein gesellschaftliches und natürlich auch

ein geselliges Leben setzt einfach eine größere Anzahl aktiver Be-

wohner voraus.

Die Geschichte von Schluft VI

Geschrieben von Günter Vogler am . Veröffentlicht in Ortsteil Schluft

Der Kampf um Schluft

 

Nachdem abzusehen war, dass es mit der Anlage zu Ende gehen und

es in naher Zukunft keine Plantage mehr geben wird, war zu über-

legen, wie der Ort zu nennen war. In dem es nun galt zu überleben,

denn eine Arbeitsgrundlage - die Seidenproduktion gab es nicht

mehr. Was lag näher, als den Ort ausschließlich Schluft zu nennen; in

einem Schreiben von 1787 wird. " .. von der Schlufft bey Uhlenhof"

geschrieben und dabei blieb es dann auch.

 

Bereits seit 1785 wird zwischen Uhlenhof und Schluft unterschieden

und seit zu erkennen war, dass die Plantage keinen Bestand mehr

haben wird, bemühten sich die Kolonisten um die Übertragung ihrer

Wohnungen und dem Gartenland in ihr persönliches Eigentum. Ob-

wohl Uhl dem sich nicht entgegenstellen wollte, weigerte er sich

über Jahre, die versprochenen Erbverschreibungen auszustellen.

 

Verzweifelt wenden sich die Kolonisten, die sich teilweise immer

noch als Ausländer fühlten, gegen die Attacken des Kommissionsrats

Uhl, der immer noch davon ausgeht, dass ihm alles gehören würde.

Ein Eindruck von der damaligen Situation gibt der nachfolgende

Brief wieder:

"Er. Konigl. Majestät geruhen in allerhöchsten Gnaden sich hier

durch allerunterthänigdt bittend vorstellen zu laßen, daß bey den

ertsen Anzug, auf der Schlufftschen Colonie mein Vater ein wahrer

Außländer und Meckelburger von Geburt der erste auf der Schlufft

geweßen, nun mehr vor einiger Zeit verstorben, so bin ich sein leib-

licher, und einziger Sohn Joachim Sashe eben auch ein Meckel-

burger gebürtig und mit in Lande gekommen, habe auch mich 12

Jahr vor meines Vaters Tode etabliert, und zur Mithe gewohnt bis

jetzt. Da nun aber nach Absterben meines Vaters der Comesßons

Rath Uhl dieselbe Wohnung einen hiesigen, Nahmens Martin Schulze

zubewohnen über laßen, und mir der ich das nächste Erbrecht hierzu

habe und ein Ausländer bin solches entsagt auch habe noch über

dem schon 3 Söhne gezeugt und mich bis dahin auch als ein ehrlicher

Mann verhalten, so daß ich keine Vorwürfe aufkeinerley art zu be-

fürchten habe, aber alles dießes da ich in das Comesßons Raths Uhl

seine Behausung bis jetzt gewohnt, undnunmehr auf meines Vaters

Wohnung zu beziehen angetragen, derselbe mich so gar zu Michalis

zu räumen anbefohlen. So sehe ich nicht ein wie man mit mir um-

gehen wolle, (. .. ) so hör doch daß Er. König!. Maj. denen Colonisten

der Schlufft die Erbverschreibung der Wohnung angedeihen solle

mithin ein solches eben auch auf mich gereichen müßte ... , Joachim

Sashe, Schlujft, 11. Mer: 1788. "

 

 

Hieraus erfahren wir erstmals, von dem ersten Bewohner von Schluft

"Sasse", der aus Mecklenburg nach Brandenburg gekommen war und

der sich als Ausländer diskriminiert fühlte. Ähnliches schreibt Martin

Friedrich Mittelstädt, der sich ebenfalls als Kolonist ausgibt und er-

klärt, dass sein Vater bereits verstorben sei.

 

Es zeigt sich, dass bereits die erste Gründergeneration am Absterben

war und mehr oder weniger unbekannt, in die dunklen Weiten der

Geschichte versank. Es sind nunmehr die Kinder, die um die Rechte

ihrer Eltern kämpfen und um ihren eigenen Familien eine Heimat

schaffen zu können.

In einem Erbverschreibungsentwurf von 1789

wird den Kolonisten u. a.

1. Denselben die Wohnung bestehend in einer Stube von 2

Fenstern, nebst Cammer, Bodenraum und Flur, und der dazu ge-

hörigen Garten von 1 Morgen 180 Ruthen exclucive der Haus- und

HofsteIle, dergestalt verliehen, daß nach seinem Tode eins von

seinen Kindern, welches sich vorzüglich dazu qualificiret unter aber

den selben Bedingungen antreten kann.

2.            kann er diese Büdnerstelle an keinen anderen als einen Ausländer

oder Invaliden veräußern. "

zugestanden.

 

Zusätzlich wohnten in dem Haus, das eigentlich für die Zucht der

Seidenraupen bestimmt war, der Tagelöhner Cristian Primus, Joa-

chim Sasse, Martin Kalbe, der Stellmacher Sommer und die Witwe

Mumkelberg.

 

Auf dem Uhlenhof, der als selbstständiger Bereich angesehen

worden war, wohnten Christian Drewelow, Friedrich Reuchler (7),

Karl Wilkopf, die Witwe Schramm, Christian Giese, Christian Zech,

Martin Zech, der Schmied Andreck, Martin Rackow, der Schäfer

Friedrich Döhring, der Kuhhirte Martin Plage und Karl Stahl berg.

Auf dem Karpfenpächterhaus Michael Köppen und der Tagelöhner

Springer.

 

Bis 1805 hatten sich die Schlufter, aufgrund der verweigerten Erb-

verschreibungen für ihre Wohnungen, geweigert, Abgaben zu zahlen.

Daraufhin wurde ihnen eingeräumt, in ihre Heimat Mecklenburg

zurückzukehren, worin sie jedoch keine Lösung ihrer Probleme sa-

hen und blieben.

 

Die Kolonisten bemühen sich nun in mehreren Versuchen weiter, ulm

eine Verschreibung ihrer Wohnungen, und als alles scheiterte,

wenden sich im Jahre 1805 mit ihrem Anliegen erneut an den König,

der Brief beginnt:

 

"Sire - Huldreichster Monarch treuester Landes Vater, dessen hohe

Gnade sich über alle und jede, treuen und gehorsamen Vasalen und

Untethanen erstreckt .... "

 

Für uns heute unvorstellbar, mit einem Anliegen, in solch einer

unterwürfigen Form bei der Amtsverwaltung vorzusprechen und auf

deren Gnade angewiesen zu sein - auch wenn manch heutiger Funk-

tionsträger es gern so hätte. Sie gehen jedoch fälschlicherweise

davon aus, dass ihnen die Wohnungen und ein Teil des Grundstückes

bereits mit ihrer Ansiedlung 1752 erblich gehörte. Sie werden dar-

über aufgeklärt, dass Uhl nach wie vor Eigentümer ist und sie an

diesem, wie früher, Miete zu zahlen haben. Nur durch eine Ver-

schreibung durch Uhl kann das Nutzungsrecht in ein Eigentumsrecht

umgewandelt werden. Den zwischenzeitlichen Plan, nach Groß

 

Schönebeck umzusiedeln, um dort ihrer Arbeit nachgehen zu

können, lehnen sie ab.

 

H ie bitten deshalb für jeden, um 0,25 Hektar Gartenland, wofür sie

bereit sind, jährlich 4 Taler zu zahlen und 12 Tage im Jahr bei der

lirnte auf Uhlenhof zu helfen, 9 Hektar als Gemeindeland, das kleine

Birkluch und die Markgrafenwiesen. Sowie eine Wohnung, eine Kuh

lind Schweine Weide in der königlichen Forst.

I 807 erhalten 14 Kolonisten von Uhl die Zusage, ihnen die ge-

wünschten Erbverschreibungen zu erteilen. Es sind: Nieckandt, De-

;elow, Dehnert, Karbe, Schulz, Schulz, Haberland, Wendland,

Krohne, Meier, Trill, Sommer, Lüdke und Kalhofen. 1830 werden

noch andere, wie Mahnkopf und Zehagen erwähnt. 18

Doch dauert es noch bis zum 7. Oktober 1810, erst dann hat jeder

selbst seine eigene Wohnung, sein Gartenland im vollen privaten

Eigentum. Erst jetzt sind sie eine eigenständige Gemeinschaft - Ge-

meinde Schluft geworden.

Im Jahre 1853 brannten bei einem erneuten Feuer die beiden westlich

ler Dorfstraße gelegenen Wohnhäuser ab, die bis dahin 4 Familien

Platz boten.

Jede Familie konnte sich danach ein eigenes Haus erbauen, womit

das jetzige Dorfbild wesentlich geprägt wurde. Diese Stelle an der

Dorfstraße zwischen den Grundstücken Futh und Rosenberg (heute

rüne und Krebs) ist heute noch in Schluft als Brandfläche bekannt.

Frau Rosenberg verkaufte das Grundstück mit Datum vom

17.10.1939, ihr Mann August Rosenberg war 1935 in Schluft ver-

storben (* 26.02.1887), nachdem sie massiv bedrängt wurde an die

tiftung Schorfheide und zog 1939 nach Klandorf. In das Haus zog

der Forstarbeiter Brüsch ein. Durch die Bodenreform erhielt er das

Haus und die Ländereien zugesprochen. Später viel es an die Ge-

meinde und wurde nach der Wende privatisiert.

 

Mit der Errichtung des Naturschutzgebietes Schorfheide 1929 begann sich der Stern von Schluft erneut zu

senken. In einem Entwurf zur Verordnung zum Naturschutzgebiet aus dem Jahre 1936 war im § 3,

Buchstabe k festgelegt, dass Neubauten verboten waren,

"Gestattet sind innerhalb der geschlossenen Ortschaften- Ersatz- und Ergänzungsbauten vorhandener

Gebäude sowie die Errichtung kleinerer für den bestehenden Wirtschaftsbetrieb notwendiger

Baulichkeiten. "

Doch schon vorher wurden hinter verschlossenen Türen im Zuge der Gründung der Stiftung Schorfheide

weitreichende Maßnahmen diskutiert, die langsam, bis-in die. Gemeinden hinein durchsickerten.

Durch den Regierungspräsidenten in Potsdam wird deshalb 1935 eine Anfrage an den Kommissar für

Naturdenkmalpflege in der Mark Brandenburg gestellt, um Klarheit zu gewinnen und die Einwohner von

Schluft nicht im Ungewissen zu lassen. In der heißt es:

.Bauverbot in Schluft/Niederbarnim

Auf die obige Anfrage erwidere ich streng vertraulich wie folgt:

Die Anweisung des Herrn Ministerpräsidenten ist mir bekannt. Schluft ist eine Enklave im

Naturschutzgebiet Schorfheide, das schon jetzt als Reichsnaturschutzgebiet behandelt wird. ... Flächen,

die in oder an einem Reichsnaturschutzgebiet liegen, können enteignet werden. Bei der isolierten Lage

der Ortschaft Schluft ist damit zu rechnen, dass von den Möglichkeiten des genannten Gesetzes hier

Gebrauch gemacht wird. In diesem Falle erscheint es durchaus folgerichtig, die Bautätigkeit

abzubremsen und Zuzug zu verhindern, denn im anderen Falle müssten ja die neuen Siedlungen in

baldiger Zukunft mit den bereits vorhandenen enteignet werden… Ich darf bitten mich hierbei nicht zu

nennen, da ich mit dieser meiner Mitteilung eigentlich schon in Hinsicht auf meine Stellung im

Reichsforstamt meine Befugnisse ein wenig überschreiten mußte. "

Schon am 13. 11. 1935 wies Göring an, dass unter keinen Umständen innerhalb des Naturschutzgebietes

Schorfheide neue Bauerlaubnisse erteilt werden dürfen und soweit solche erteilt sind, sofort

zurückzuziehen. Zudem war es verkaufswilligen Grundbesitzern nur möglich, an die Stiftung Schorfheide

zu verkaufen, sie erzielten dabei einen höheren Erlös, als wenn sie an private Interessenten verkauft

hätten.

Die Geschichte von Schluft V

Geschrieben von Günter Vogler am . Veröffentlicht in Ortsteil Schluft

Feuer, Naturgewalten und das Ende der Seidenraupen

 

Seit dem Entstehen der Maulbeerbaumpflanzungen hatte Uhl mit den

Unbilden der Natur zu kämpfen. Im Sommer kam die Trockenheit

lind die Bäume mussten regelmäßig mit Wasser versorgt werden.

Stand der Winter vor der Tür begann das große Bangen, ob diesmal

der Frost die Bäume verschonen wird und nicht noch im Frühjahr die

'!'riebe erfrieren werden.

Im Winter 1762/1763 traf es die Plantage hart, alle Bäume erfroren.

Uhl sah ein, dass der Boden hier "kaltgründig" ist, und wollte die

Plantage aufgeben. Ein entsprechender Antrag an die königliche

Kammer wurde jedoch abschlägig beschieden, da die Erbver-

schreibung vorsah, werden keine Maulbeerbäume gepflanzt, muss

lie verschriebene Bodenfläche zurückgegeben werden. Dem Land-

jäger blieb nichts weiter übrig, als erneut mit der Pflanzung zu

beginnen und das alles auf seine eigenen Kosten.

Zwei Jahre später, am 23. November 1765 traf die Plantage ein er-

neuter Schicksalsschlag. Eines der vier Wohnhäuser brannte nieder.

 

ie Ursache konnte nicht festgestellt werden, da die Tagelöhner

beim Brennholz machen im Wald und die Weiber ebenfalls nicht

anwesend waren.

Dazu heißt es:

 

. " .. außer daß ein Weib, wobey das Feuer vermuthlicn aus-

gekommen seyn muß, in dem Hause gefunden worden, welche aber

faßt gant: mit verbrandt und sprachlos lieget, daß man von derselben

nichts vernehmen kann. "

 

Da kein Bauholz vorrätig war, musste schnell gehandelt werden,

denn Arbeitskräfte waren Mangelware und die betroffenen vier

Familien wollten wieder zurück in ihre mecklenburgische Heimat,

wenn nicht ein neues Haus gebaut werden würde. Immerhin war es

schon Herbst und der Winter klopfte bereits an die Türen.

 

Leider wissen wir immer noch nicht wer die ersten 16 Familien mit

Namen waren, die sich hier eine neue Heimat aufbauen wollten.

Wohl mehr als zweites wirtschaftliches Standbein versuchte Uhl

1756 es mit der schon damals bekannten Zucht von Karpfen in den

Markgrafen Wiesen. Diese gehörten etwa zur Hälfte den Döllner

Einwohnern und zur anderen Hälfte dem Uhl. Da die Wiesen mehr

ein Luch waren und dort ständig etwa 1 Meter Wasser stand, ließ Uhl

einen Abzugsgraben zum Trämmersee graben und legte um die

Wiese einen Damm, damit das Wasser kontrolliert gehalten und ab-

fließen konnte. Die Döllner kamen nun auf die Idee, den Damm zu

durchbrechen, damit das Wasser aus ihrer Wiese abfließen konnte,

um ihre Wiesen dadurch trocken zu legen. Nach einigem Streit einig-

te man sich, doch blieb die Karpfenzucht nicht erhalten, denn der

sinkende Wasserstand ließ diese eingehen. Die alten Teichanlagen

sind heute noch gut zu erkennen und selbst das Wasser-

regimelWasserregulierung ist noch anhand eines Wehres aus Eichen-

holz erkennbar (Mönch).

 

1930 gab es am Tremmersee (damals so geschrieben) ein Wald-

arbeitergehöft, das die Eingemeindung in Schluft wünschte. 14 Die

Schlufter Gemeindevertreter hatten jedoch Bedenken, dass erhöhte

Kosten durch entstehende Sozial- und Fürsorgekosten und Ver-

waltungskosten entstehen. Was sich im Zeitenlauf weiter ent-

wickelte, ist nicht bekannt, aber offensichtlich bewohnte es der

Fischer am Karpfenteich noch einige Jahre.

1792 unternimmt mittlerweile die dritte Generation der Uhl ' sehen

 

Familien zu retten, was noch zu retten ist. Der Kommissionsrat Johann

Friedrich Uhl hatte schon vorher erreicht, nur noch 3 666 Maulbeer-

bäume pflanzen und unterhalten zu müssen. In einer Auflistung legt

er dar, dass seinem Vater und ihm die Plantage insgesamt 13 138

Taler gekostet hätte und sein Vater insgesamt 3 mal 8 000 Bäume,

also 24 000 Stück, gepflanzt habe, die jedes Mal erfroren. Ebenfalls

seien in seiner Baumschule 1787,6000 Bäume "bis auf die Wurzel

abgefroren, weil der Boden kaltgründig. " Nunmehr stellt er den An-

 

t rag, die Plantage gänzlich eingehen lassen zu können, um endlich

Ruhe zu haben. Eine Untersuchungskommission kommt zu dem

chluss,

. " .. daß die Lage des Terrains deren Fortgang nicht gestattet, und

daß die Maulbeerbaumzucht daselbst, wegen des durchgängig

schlechten und kaltgrundigen Bodens und weil das Etablissement

von allen Seiten von der Forst umgeben, nicht gedeihen kann. " 15

 

Unter noch anderen Auflagen wird Uhl, gegen eine Zahlung von 800

Talern und der Verpflichtung, die noch vorhandenen Bäume solange

stehen zu lassen, wie sie grün werden, die Plantage los. 1793 wird

die Anlage stillgelegt. Zum Ende des Jahrhunderts gibt es keine

Maulbeerbäume mehr in Uhlenhof und Schluft.

Die Geschichte von Schluft IV

Geschrieben von Günter Vogler am . Veröffentlicht in Ortsteil Schluft

Seidenraupen "auf der Schluft"

 

Unter König Friedrich TI. galt verstärkt der Grundsatz soviel wie

möglich im Inland zu produzieren und so wenig wie möglich zu im-

portieren. Vor allem galt das für die aufkommende Glas- und Textil-

industrie. Um nicht die begehrte und sehr teure Seide aus dem Aus-

land einführen zu müssen, wurden zum Beispiel die Pastoren an-

gewiesen, auf den Kirchhöfen Maulbeerbäume anzupflanzen. Die

Blätter der nicht heimischen Maulbeerbäume wurden für die Zucht

der Seidenraupe benötigt, damit diese den eigentlichen Seidenfaden

produzieren konnte.

Möglicherweise hatte Uhl schon 1740 damit begonnen, in unmittel-

barer Nähe seines Gutes, Versuche mit der Pflanzung von Maulbeer-

bäumen durchzuführen. In einer Beschreibung wird auf die Frage des

Beginns der Plantagenanlage das Jahr 1740 genannt, obwohl tatsäch-

lich Uhl erst 1750 offiziell den Antrag stellte, eine solche errichten

zu dürfen. Daraufhin wird sein Chef, der Oberforstmeister

von Knobelsdorff, aufgefordert, ein

entsprechendes Gutachten anzu-

fertigen, um die Durchführbarkeit

eines solchen Unternehmens unter

Beweis zu stellen. Vor allem des-

wegen, weil Uhl für den Bau der

Wohnhäuser, des Seidenraupenhauses

und der Einzäunung freies Holz vom

König bewilligt haben möchte. Das

kurze Gutachten fällt nicht zugunsten

von Uhl aus. Der Oberforstmeister

schreibt am 08.Mai 1751, "Ich bin dahero der unvorgreiflichen

Meynung, daß da des Hr. Landjäger Uhlen sein Vorwerk mit sehr

vielen Wohlthaten, so selbiges aus deren Konigl. Forsten genießet,

( ... ) derselbe die Anlegung der Maulbeer,

Plantage auf seine Kosten gar füglieh. bewerckstelligen könne, und

wäre genug wenn derselbe zu Anlegung eines Familien-Hauses, das

nothige Bau und Brenn Holz.frey erhalte.

Eu. Hochlöbl. Konigl. Churmärk. Collegium wird überzeugt seyn,

daß die neun Colonisten Dörffer welche in meinem District be-

sonders Starck angewachsen, meine mir anvertraute Forsten sehr

mitgenommen. "

Er bittet deshalb, alles in der Welt mögliche zu unternehmen, damit

keine neuen Ansiedlungen erfolgen und die Forsten geschont wer-

den. Dem Landjäger Uhl empfiehlt er,

. " .. vielmehr bitte ich den Landjäger Uhl, dafür zu sorgen, daß die in

seinem Revier befindliche große leeren Flecke mit mehreren Fleiß

hinwiederum mit Holze angebaut, und nicht ferner, aller Welt zur I

Bewunderung leer liegen bleiben müßen, wodurch sich derselbe ein

weit größere Merite, und welche auch mit seiner Bedienung be-

sonders genau verknüpfet erwerben wird, als wenn derselbe wegen

Anbau vieler Familien-Häuser, welche Ihm doch lediglich zum

Vortheil gereichen, müsse eine schlechte Maulheer-Plantage, zu Er-

leichterung diese Anbaues, anzulegen, sich Mühe geben will. " J J

Uhl antwortet darauf, dass er nur dem hohen Ansinnen seines Königs

gefolgt sei, den Seidenbau in Preußen voran zubringen. Er weißt dar-

auf hin, dass der Boden ihm selbst gehört und der Bauplatz nur von

einigen Sandhügeln durchzogen und mit geringem Bewuchs

bewachsen ist. Uhl wartete nicht länger und beginnt mit der Ein-

richtung der Anlage. 1751 hat er bereits 1 500 Bäume gepflanzt,

jedoch noch keine Genehmigung für das Holz erhalten. Im Mai bittet

er, durch einen "kompetenten Zimmermeister" feststellen zu lassen,

wie viel Holz für die vier Wohnhäuser, einem Seidenraupenhaus,

Brunnen und des Zaunes benötigt wird. Insgesamt beabsichtigt er 16

Familien anzusiedeln, die alle "ausländisch" sein sollen. Nachdem

um 24. Dezember 1751 aus Groß Schönebeck der Kriegs- und

Domänenrat Pfeiffer an den König Friedrich 11. schreibt,

. " .. daß des Uhlens Bitte wohl acceptable sey, und daß das zu roden-

ie terrain von schlechter Beschaffenheit ... "

Der König antwortet bereits am 30. Dezember, manch heutige

öffentliche Verwaltung sollte sich daran ein Beispiel nehmen,

"Als befehlen wir Euch hierdurch allergehorsamst von dem erforder-

lichen nöthigen Bau Holze einen Anschlag anfertigen zu laßen und

zur Approbation einzusenden, auch sonst daß ferner nöthige zu ver-

fügen ... "

Mit dem 19. Januar 1752 schlägt die Geburtsstunde des späteren

Schluft. Uhl erhält die .Erbrins Verschreibung ... von Se:k:M: 11 und,

kann nun endlich beginnen. Doch erst als der Landrat von Nüßler die

Plantage" visitiert" kommt Schwung in die Anlage.

r schreibt:

"Es ist wohl eine der schönsten Anlagen welche ein Privaty in Eure

Königl. Majäs. Landen auf seine Kosten anlegen kann, und wäre zu

wünschen, daß Eure König!. Majäs. So glücklich seyn möchten viele

der gleichen Entrepreneurs in dero Landen zu finden. " 12

Im April 1752 erhält er die Zustimmung für sein Holz und kann nun,

auf einer Fläche, die. H •• die alte Schluft" genannt wird, bauen. Diese

Erwähnung ist nicht die erste, denn bereits 1715 erhält Uhl zu seinem

Uhlenhof noch 6,5 Hektar "Heideland" auf dem sogenannten

"Schlufft. " Dabei handelt es sich um eine Flurbezeichnung aus dem

mittelhochdeutschem Wort "sluft" abgeleitet, was soviel bedeutet

wie Schlucht. An anderer Stelle wird definiert.

Schluft: "Von dem Zeitworte schliefen, ein enger, schmaler Ort,

durch welchen man gleichsam nur schliefen kann, .... Ein enges Thal

wischen zwei Bergen, ein tiefer Wasserriss an einem Berge, ein

hohler Weg wird in vielen Gegenden eine Schluft genannt. Uns

kann es eigentlich egal sein, denn wir assoziieren mit den Namen

letztlich nur unser zu Hause. Das Jahr 1752 ist auf jeden Fall gleich-

zusetzen mit der ersten Ansiedlung von 16 Spinner Familien auf der

alten Schluft und von daher, mit gutem Grund ein Jahr zum feiern,

obwohl es damals nicht viel zum feiern gab.

 

Insgesamt wurden vier zwei Etagen hohe Fachwerkhäuser mit Stroh-

eindeckung ganz aus Holz gebaut. Jede Familie hatte zwei Stuben, 2

Kammern und eine nach oben offene Küche für den Rauchabzug, der

gleichzeitig als Räucherkammer zu nutzen war. In diesen Räumen

spielte sich das ganze Familienleben ab, mit seinen guten und

schlechten Seiten. Für unsere heutigen Verhältnisse ist es kaum vor-

stellbar, dass Familien mit vier und mehr Kindern, ohne sanitäre Ein-

richtungen, ohne Elektrizität, fließend Wasser und ohne jegliche

Haushaltshilfen wie Waschmaschine, Kühlschrank oder Spül-

maschine so leben mussten. Allgemeine Armut war täglich gegeben

und der Speisezettel sah mehr wasserhaltige Mehlsuppen als fleisch-

haltige Nahrung vor.

 

Während einer erneuten Kontrolle wird bemängelt, dass die Plantage

noch nicht fertig ist und erst ein Wohnhaus bezugsfertig sei. Der

Landjäger begründet den Rückstand mit seiner" Gicht", die ihm acht

Wochen an sein Bett gefesselt habe, aber auch mit der sehr späten

Bewilligung des Bauholzes.

 

Er sichert zu:

 

. " .. daß obige Colonisten Häuser bis 8 Tage nach Michaelis in gant:

completten Stande, und mit Colonisten besetzt seyn sollten ",

 

die vier "Einländer" und die zwölf "Ausländische Familien" bereits

über einen V ertrag verpflichtet sein. Diese hatte er in Mecklenburg

und Sachsen für seine neue Plantage überzeugen und gewinnen kön-

nen. Ob tatsächlich aus Sachsen Familien hierher zogen, ist nicht

gesichert und muss bezweifelt werden, auch wie mancherorts ver-

merkt, waren sie auch nicht aus der Pfalz.

Zu dieser Zeit hatte er schon 4 200 Maulbeerbäume gepflanzt, von

denen 3 200 bereits ein Alter von 7-8 Jahren hatten. Die restlichen

3800 Bäume versprach er im Herbst zu pflanzen. Zusätzlich hatte er

vorgesehen, auf Uhlenhof eine kleine Baumschule anzulegen, wo er

12 000 Bäume ziehen wollte, um auf Ersatzpflanzen zurückgreifen

I',U können. Zum Abschluss wird ihm bescheinigt, dass die Plantage

j n einem guten Zustand ist und mit einem Gelingen der Zucht zu

rechnen wäre. Insgesamt hatte die Maulbeerbaumplantage eine Flä-

.hengröße von 13 Hektar, auf der 7878 Bäume standen, die ständig

I n Handarbeit gepflegt werden mussten. Das Seidenraupenhaus wird

jedoch erst 1753 errichtet und fertiggestellt.

 

W LUde bisher immer nur von der" Plantage" oder" die Plantage bey

Groß Schonebeck" gesprochen und geschrieben, kam mit dem Nie-

dergang der Plantage, die Ortsbezeichnung Schluft zunehmend in

Icbrauch.